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Maigret - 18 - Maigret in Nöten

Maigret - 18 - Maigret in Nöten

Titel: Maigret - 18 - Maigret in Nöten
Autoren: Georges Simenon
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mitten in Paris so etwas wie Seestimmung auf.
    »Ich will nicht indiskret sein, aber wie werden Sie es anstellen, um mit Ihrer Untersuchung voranzukommen?«
    Nun war es an Maigret zu lächeln, denn vermutlich hatte der ganze Spaziergang keinen andern Zweck, als eben diese Frage einfließen zu lassen. Ducrau wurde sofort klar, dass sein Begleiter seine Gedanken erriet, und auch er setzte nun ein Lächeln auf, wie um sich über seine eigene Naivität lustig zu machen.
    »Nun, das sehen Sie ja!«, erwiderte der Kommissar, indem er sich noch betonter als sorgloser Spaziergänger gab.
    Sie legten vielleicht vierhundert Meter schweigend zurück, den Blick auf den Pont d’Austerlitz gerichtet, zwischen dessen Eisenstreben ein wahres Feuerwerk aufblitzte, und darin wiederum erahnte man, in Blau und Rot getaucht, die Türme und Mauern von Notre-Dame.
    »Hör mal, Vachet! Dein Bruder hat eine Panne in Lazincourt. Er lässt dir ausrichten, dass die Taufe verschoben worden ist.«
    Und schon ging Ducrau wieder gleichmäßigen Schritts weiter. Nachdem er Maigret aus den Augenwinkeln angesehen hatte, fragte er mit der Rohheit eines Mannes, der sich absichtlich danebenbenimmt:
    »Wie viel verdient einer wie Sie eigentlich?«
    »Nicht viel.«
    »Sechzigtausend?«
    »Viel weniger.«
    Ducrau legte die Stirn in Falten und blickte seinen Begleiter erneut an, und diesmal zugleich bewundernd und neugierig.
    »Was meinen Sie zu meiner Frau? Finden Sie, dass ich sie unglücklich mache?«
    »Aber nein! Ob nun Sie es sind oder ein anderer! Ihre Frau gehört zu den Menschen, die immer, ganz gleich, welches Schicksal ihnen beschieden ist, bescheiden und trübselig im Hintergrund bleiben.«
    Maigret konnte einen Punkt für sich verbuchen, denn Ducrau war über seine Antwort verblüfft.
    »Sie ist dumm und vulgär, eine langweilige Pute«, seufzte er. »Wie ihre Mutter, die ich in einem der kleinen Häuser nebenan untergebracht habe und die ihr ganzes Leben mit Flennen verbracht hat! Sehen Sie, da ist noch ein Steinbrecher, der mir gehört, der leistungsfähigste des ganzen Pariser Hafens … Kurz und gut, welche Spur verfolgen Sie?«
    »Alle.«
    Sie gingen immer noch in der Geräuschkulisse des Stromes und seiner Ufer. Die morgendliche Luft roch nach Wasser und Teer. Hin und wieder mussten sie um einen Kran herumgehen oder warten, bis der Durchgang zwischen zwei Lastern frei war.
    »Sind Sie schon an Bord der ›Toison d’Or‹ gewesen?«
    Ducrau hatte einiges länger als sonst gezögert, um diese Frage zu stellen, und dann gab er gleich vor, vom Manöver eines Schleppzuges abgelenkt zu werden. Zudem war die Frage überflüssig, denn von seinem Fenster aus musste er gesehen haben, wie Maigret auf den Kahn gestiegen war. Der Kommissar begnügte sich denn auch damit, zu antworten:
    »Eine eigenartige junge Mutter.«
    Die Wirkung dieser Worte war erstaunlich. Ducrau blieb augenblicklich stehen, und mit seinen kurzen Beinen und seinem mächtigen Nacken sah er aus wie ein Stier, der gleich losstürzen wird.
    »Wer hat Ihnen das gesagt?«
    »Es war nicht nötig, dass man es mir sagt.«
    »Und dann?«, sagte er, um irgendetwas zu sagen, grimmig dreinblickend, die Hände auf dem Rücken verschränkt.
    »Nichts weiter.«
    »Was hat sie Ihnen erzählt?«
    »Dass Sie ihr einen Besuch abstatten wollten.«
    »Ist das alles?«
    »Dass sie Ihnen die Tür nicht aufgemacht hat. Hatten Sie mir nicht gesagt, Gassin sei für Sie ein guter Kumpel? Es scheint mir allerdings, Ducrau …«
    Der aber murrte ungeduldig:
    »Diese Dummköpfe! Wenn ich Sie nicht zurückgehalten hätte, würden Ihnen jetzt die Beine von dem Fass hier zerquetscht …«
    Und den Mann, der da mit den Fässern hantierte, fuhr er an:
    »Kannst du nicht aufpassen, Idiot?«
    Gleichzeitig kratzte er seine Pfeife aus und klopfte den Pfeifenkopf auf dem Absatz aus.
    »Jede Wette, Sie haben sich in den Kopf gesetzt, das Kind sei von mir … Geben Sie es ruhig zu! Wo ich ja im Ruf eines Schürzenjägers stehe. Aber in diesem Fall, Kommissar, liegen Sie falsch.«
    Er sagte das ganz sanft, denn es war eine spürbare Wandlung in ihm vorgegangen. Man fühlte, er war nun weniger hart, seiner selbst weniger sicher. Nicht mehr der stolze Besitzer, der einen Besucher durch sein Reich führt.
    »Haben Sie Kinder?«, fragte er mit jenem Seitenblick, den Maigret allmählich an ihm kannte.
    »Ich hatte nur eine Tochter, die starb, als sie noch ganz klein war.«
    »Bei mir sind es eine ganze Menge. Augenblick mal!
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