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Magyria 01 - Das Herz des Schattens

Titel: Magyria 01 - Das Herz des Schattens
Autoren: Lena Klassen
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diesem Fremden mitgegangen war, draußen nicht mehr einholen würde, dass aber noch eine Chance bestand, das Mädchen heil nach Hause zu bringen, wenn sie es irgendwo hier im überfüllten Club fand.
    Unruhig umkreiste sie die Tanzfläche.
    Wie groß ihre Angst um Réka wirklich war, merkte sie, als die Erleichterung sie wie eine warme Welle durchflutete. Die beiden waren noch da. Sie standen inmitten der Tanzenden wie ein Fels in der Brandung, ohne mitzutanzen, ohne sich zu rühren. Kunun hielt das Mädchen fest in seinem Arm, für Márias Geschmack viel zu fest, und
beugte sich zu ihr hinunter. Sie küssten sich, allerdings derart lange, dass Mária stutzig wurde. Nein, jetzt sah sie es. Die beiden küssten sich nicht. Réka hing bewegungslos in Kununs Griff, das Gesicht an seine Schulter gelehnt, mit weit geöffneten, blicklosen Augen. Die Angst kehrte wieder zurück, mit einer solchen Macht, dass Mária übel wurde. Rücksichtslos schob sie die letzten Tänzer zur Seite, die ihr im Weg standen. In dem Moment, als sie nach dem Arm des Mädchens griff, merkte sie, dass Kununs Mund an Rékas Hals lag.
    Sie schrie gellend auf. Als sie das junge Mädchen von ihm wegriss, erwartete sie, dass Réka zusammensacken und ihr in die Arme fallen würde, aber ihr Schützling taumelte nur ein paar Schritte rückwärts.
    »Lass sie in Ruhe!«, schrie Mária. »Lass sie gefälligst in Ruhe! Oh mein Gott, sie ist erst vierzehn!«
    Kunun hob abwehrend die Hände. Er lächelte unschuldig, aber seine Augen glitzerten. Mária wäre ihm am liebsten an die Kehle gegangen, doch es gab Dringenderes zu tun. Sie packte die Hand des Mädchens und zerrte es hinter sich her zum Ausgang und auf die Straße. Rékas Widerstand wurde stärker.
    »Lass mich los, was soll das!«
    Mária wandte sich ihr zu. »Er hat dich gebissen. Oh Gott, ich fasse es nicht. Er hat dich in den Hals gebissen, wie ein Vampir.«
    »Hat er nicht. Du spinnst doch!«
    Mária zog das Mädchen näher zu sich heran und betrachtete im trüben Licht der Straßenlaterne die beiden schwarzen Punkte auf Rékas blasser Haut. »Und was ist das?«
    Mit einer lässigen Bewegung wischte sich Réka über die Stelle, auf die Mária wie gebannt starrte. Sie sah nicht einmal auf ihre Finger. »Wie konntest du das tun, Mária? Er wollte gerade mit mir tanzen. Mit mir! Kunun! Weißt du, wie lange ich darauf gehofft habe?«

    »Was heißt hier gerade?«, fragte Mária. »Ich habe euch bestimmt zehn Minuten gesucht!«
    »Wir wollten gerade tanzen«, schluchzte Réka. »Gerade wollten wir anfangen zu tanzen! Ich hasse dich! Du bist so gemein!« Sie riss sich los und rannte mit klappernden Schuhen über die nächtlichen Budapester Straßen. Erst an der nächsten Haltestelle blieb sie stehen und wartete auf Mária, aber als diese endlich kam, sprach sie kein Wort mit ihr.

ERSTER TEIL
    STADT DER BRÜCKEN

EINS
    AKINK, MAGYRIA
    Der Nebel stieg vom Fluss auf und hüllte die Brücke in ein wolkenweiches Tuch. Von oben sah man sie nicht mehr, es war, als hätte der Fluss sie verschluckt, um sie nie wieder freizugeben.
    Der Mann auf der Burgmauer starrte stirnrunzelnd auf den watteweißen Fluss hinunter. Der Wald jenseits des Wassers war unsichtbar geworden, doch Akink, die Stadt, die er so liebte, war noch da. Im fahlen Licht des Morgens, eingebettet in den Nebel, wirkten die Häuser sogar weißer als sonst. Auf der Burg hinter ihm lag ein rötlich angehauchter goldener Schimmer.
    Der Mann wickelte sich enger in seinen Umhang. Ihn fröstelte. Wie mit feinen, glänzenden Schwertern schnitt das Licht, das von ihm ausging, durch den Nebel und löste ihn auf. Sein Haar, in dem glühende Fäden knisterten, warf seinen Schein tanzend auf die Mauer. Wie eine Frau, die ihren Nachtmantel ablegt, tauchte drüben langsam die Brücke aus dem Nebel auf. Die unzähligen Fratzen und Figuren an den mächtigen Pfeilern leuchteten auf, als die weiße Wolke an ihnen herunterglitt und sich wie ein flauschiger Umhang zu ihren Füßen bauschte.
    »Haben die Wölfe dich heute Nacht schlafen lassen?«, fragte er, ohne sich umzudrehen.
    Seine Frau Elira trat neben ihn. »Nun, sie waren nicht zu überhören. Ein Rudel hat auf der Ostseite geheult, eins im Süden. Es klang, als wollten sie uns umzingeln.«
    »Sie sind schon so nah. Und es werden immer mehr. Bis
jetzt habe ich gehofft, die Hüter könnten sie vom Fluss fernhalten, aber mittlerweile bin ich mir nicht mehr sicher.« Er schüttelte bedrückt den Kopf.
    »Wir
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