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Magnus Jonson 02 - Wut

Magnus Jonson 02 - Wut

Titel: Magnus Jonson 02 - Wut
Autoren: Michael Ridpath
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Bauernfamilie. Der Hof wird noch bewirtschaftet, wenigstens so lange, bis die Bank meine Verwandten zum Verkauf zwingt.«
    »Was ist denn passiert?«, fragte Harpa.
    »Alle werden ausgequetscht«, sagte Sindri. »Selbst die Bauern. Mein Bruder, der den Hof übernommen hat, kann nicht mehr zahlen. Deshalb ist finito .« Mit dem Zeigefinger machte Sindri eine Hals-ab-Geste. »Zack. Ein Bauernhof, den es seit Generationen gibt und der schon in der Landnámabók erwähnt wurde, wird zerstört. Es bricht mir das Herz.«
    Harpa war der Ansicht, dass Bauernhöfe zu den wenigen Teilbereichen der Wirtschaft gehörten, denen es trotz der Entwertung der isländischen Krone noch gutging, aber sie mochte Sindri nicht widersprechen, da er gerade richtig in Fahrt war.
    Er wandte sich ihr zu. »Unsere Bauern, die sind für mich die wahre Seele Islands. So wie Bjartur da.« Er wies auf das Gemälde des Bauern mit dem Mädchen auf dem Arm. »Das ist übrigens von mir.«
    »Oh, sehr schön«, sagte Harpa. Das war es wirklich. Man merkte zwar, dass ein Amateur den Pinsel geführt hatte, aber das Bild vermittelte das Gefühl von Würde in einer rauen, aber wunderschönen Landschaft.
    »Bauern und Fischer«, fuhr Sindri fort, ohne näher auf Harpas Kompliment einzugehen, »das sind Männer, die unter widrigen
Umständen hart arbeiten, die sparen, die in den Bergen und auf den Wellen für ihren Lebensunterhalt kämpfen. Und nicht nur die Männer, auch die Frauen. Wir haben in Island die stärksten, unabhängigsten Frauen der Welt. Die brauchten wir, um zu überleben. Und diese Banker, diese Anwälte, diese Politiker von heute, die können nichts anderes, als Geld zu verschwenden und zu leihen, zu verschwenden und zu leihen. Die Jugend heutzutage weiß nicht mehr, wie richtige Arbeit aussieht, wie es ist, bei tosendem Sturm über die Berge zu stapfen und verlorene Schafe zu suchen.«
    »Einige wissen das schon«, sagte Frikki. »Bis vor zwei Wochen habe ich noch, wenn ich nicht gerade schlief, von morgens bis abends in einem Loch von Küche gestanden und für diese Typen gekocht. Und was die dafür hingeblättert haben! Zehntausend Kronen für einen aus dem Pazifik eingeflogenen Schwertfisch, wo wir doch selbst hervorragenden Fisch vor der Haustür haben.«
    »Tut mir leid, Frikki«, sagte Sindri. »Du hast recht, nicht alle Jugendlichen haben das vergessen. Es gibt viele gute Isländer, die noch richtig arbeiten wollen und können. Solche wie uns hat es hier immer gegeben. Nur hat bis jetzt niemand auf uns gehört.«
    Harpa fragte sich, ob Sindri schon mal »richtig arbeiten« musste, seit er den elterlichen Hof verlassen hatte. Trotzdem war etwas dran an seinem Argument. Er war der Typ Mann, den sie noch vor wenigen Monaten verächtlich als ahnungslosen Idealisten abqualifiziert hätte, doch jetzt war sie der Meinung, er hätte nicht ganz unrecht.
    »Wie groß ist meine Chance, einen ordentlichen Job zu finden?«, fragte Frikki. »Es gibt doch nirgendwo was.«
    »Was ist mit dir, Björn?«, fragte Sindri.
    »Ich bin Fischer«, erwiderte Björn. »Aus Grundarfjörður. Ich bin heute Morgen mit dem Motorrad zur Demonstration gekommen. Und ich bin ganz deiner Meinung, Sindri. Ich fahre so oft raus, wie es meine Quote erlaubt, aber ich verdiene trotzdem nicht genug, um meine Schulden abzuzahlen. So wie mir geht’s vielen. Die Banken haben uns geraten, Kredite in fremden Währungen aufzunehmen,
weil da die Darlehenszinsen niedriger sind. Jetzt erzählen sie mir nicht nur, dass sich meine Schulden aufgrund der gefallenen Krone verdoppelt haben, sondern dass ich auch das ganze Geld zurückzahlen muss, das die Banken sich aus Großbritannien und den Niederlanden für mich geliehen haben. Das ist Wahnsinn.«
    Der Gesprächsverlauf verursachte ein mulmiges Gefühl bei Harpa.
    Einem fiel ihr Unbehagen auf. »Wie sieht es bei dir aus, Harpa?«, fragte Ísak, der Student. Er beobachtete sie genau. Sie merkte, dass er irgendwie erspürt hatte, was sie einmal gewesen war, trotz der monatelangen Arbeitslosigkeit. Lag es an ihrer Art zu sprechen, an ihrer Kleidung, an ihrer Haltung? Harpa mochte ihn nicht. Seine kühle Distanziertheit hatte etwas Unheimliches, das nicht zu der hitzigen Empörung der anderen passte. Aber sie musste auf seine Frage antworten.
    »Ich habe auch meine Arbeit verloren, so wie Frikki.«
    »Und was war das für eine Arbeit?«, fragte Ísak ruhig.
    Harpa spürte, dass sie errötete. Sie schämte sich. Alles stürzte auf sie ein.
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