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Magnus Jonson 02 - Wut

Magnus Jonson 02 - Wut

Titel: Magnus Jonson 02 - Wut
Autoren: Michael Ridpath
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sollte er nicht zu dem stehen, was er war, so wie Harpa es gerade getan hatte? Warum sollte ihm das erspart bleiben? Der Schweinehund hatte es verdient, und wie! Nach ein paar Brandys fühlte sich Rache richtig gut an.
    »Na gut«, sagte sie. »Aber das wird schwierig. Ich weiß nicht genau, wie ich ihn dazu bewegen soll, hierherzukommen.«
    »Kannst du nicht sagen, du müsstest was mit ihm besprechen?«, schlug Sindri vor.

    »Vielleicht in einer Kneipe. Oder bei ihm zu Hause. Aber doch nicht mit einer Horde Fremder«, gab Harpa zurück.
    »Sag ihm, du willst ihn in einer Kneipe in der Stadt treffen, dann fangen wir ihn auf dem Weg dahin ab«, sagte Ísak. »Und bringen ihn her.«
    Harpa überdachte den Vorschlag. »In Ordnung«, sagte sie. »Ich versuch’s mal.«
    Es war fast zwölf Uhr. Die Kneipen in Reykjavík waren noch geöffnet, aber es würde nicht leicht werden, Gabríel vor die Tür zu locken.
    Harpa holte ihr Handy heraus und wählte Gabríel Örns Nummer. Sie wunderte sich, dass sie ihn nicht aus ihrem Adressbuch gelöscht hatte. Sie hätte ihn gänzlich aus ihrem Leben löschen müssen.
    »Ja?«, meldete er sich heiser. Kaum mehr als ein Krächzen.
    »Ich bin’s. Ich muss dich sehen. Jetzt.«
    »Hm. Wie spät ist es denn? Ich bin gerade eingeschlafen.«
    »Es ist wichtig.«
    »Kann das nicht warten?«
    »Nein. Es muss jetzt sein.«
    »Harpa, bist du betrunken? Du hast doch was getrunken, oder?«
    »Natürlich bin ich nicht betrunken!«, entgegnete sie. »Ich bin müde und durcheinander, und ich muss dich sehen.«
    »Um was geht’s denn? Wieso kannst du mir das nicht am Telefon sagen?«
    Harpas Kopf drehte sich, doch sie hatte eine Idee. »Das gehört nicht zu den Dingen, die man am Telefon besprechen kann.«
    »Ach du liebe Güte, Harpa, du bist doch nicht etwa schwanger, oder?«
    Gabríel hatte offenbar dieselbe Idee gehabt.
    »Ich habe gesagt: nicht am Telefon. Komm ins B5. In einer Viertelstunde.«
    »In Ordnung«, sagte Gabríel und legte auf.
    Harpa beendete ebenfalls das Gespräch. »Erledigt«, sagte sie.
Das B5 war eine Kneipe auf der Bankastræti, die vom Austurvöllur, dem Platz vor dem Parlamentsgebäude, ostwärts einen kleinen Hügel hinauf zur Laugavegur führte, der Haupteinkaufsstraße. Früher hatte Harpa die Kneipe freitags abends mit Gabríel Örn und ihren Freunden besucht. »Ich weiß, welche Straßen er gehen wird. Wir können ihm den Weg abschneiden.«
    »Dann los!«, sagte Frikki.

    Sindris Wohnung befand sich auf der Hverfisgata, einer schmuddeligen Straße, die nahe der Bucht parallel zur Bankastræti und zur Laugavegur verlief. Als sie nach draußen an die frische Luft traten, war Harpa beschwingt zumute. Der Frust und das Elend der letzten Monate stiegen an die Oberfläche. Sicher, die Banker und Politiker hatten Schuld, doch ein bestimmter Mann trug die größte Schuld an der Zerstörung ihres Lebens.
    Gabríel Örn.
    Und in wenigen Minuten würde er den anständigen Bürgern gegenüberstehen, die Männer wie er mit solcher Verachtung bedachten. Er würde versuchen, sich aus der Sache zu lavieren, doch das würde Harpa zu verhindern wissen. Sie würde ihn zwingen , sich vor diese Menschen zu stellen, sich zu entschuldigen und zu erklären, was für ein Scheißkerl er war.
    Die Kälte machte Harpa zwar nicht schlagartig nüchtern, verlieh ihr aber neue Kraft. Sie trieb die anderen an. Das Skuggahverfi oder Schattenviertel war ein Neubaugebiet von hochaufragenden Luxusapartmenthäusern entlang der Bucht. Nur wenige waren tatsächlich fertiggestellt worden, dann war den Finanziers das Geld ausgegangen; nun schauten die wenigen bewohnten Häuser auf ihre halb fertiggestellten Brüder und auf die heruntergekommenen Gebäude in der Nachbarschaft herab, die wie das Haus von Sindri noch abgerissen werden mussten. Die fünf waren nur noch rund hundert Meter von der Stelle entfernt, wo Gabríel Örn die Hverfisgata auf seinem Weg zum B5 queren würde.
    Ein paar Schneeflocken fielen. Es war spät, aber es waren noch
Menschen unterwegs, aufgeputscht von der Demonstration. Unten am Fuß des Hangs, in der Nähe des Platzes vor dem Parlament, schlugen Flammen aus einer Mülltonne und beleuchteten umherhuschende vermummte Silhouetten. Zwei Feuerwerkskörper explodierten.
    Harpa führte die anderen in eine kleine Seitenstraße der Hverfisgata, weil sie wusste, welchen Weg Gabríel Örn nehmen würde. Und da kam er auch schon, den Kopf gegen den Schnee gesenkt.
    Sie blieb vor ihm stehen.
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