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Magnolienschlaf - Roman

Magnolienschlaf - Roman

Titel: Magnolienschlaf - Roman
Autoren: Eva Baronsky
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wieder und wieder, während Jelisaweta im Sessel kauert, die Holzpuppe umklammert hält
     und mit zitternden Fingern über die Fuge in dem runden Bauch reibt.
     
    »Prokljataja fignja!«, flucht Jelisaweta und reißt sich in die Wirklichkeit zurück, wendet sich wieder dem Kochbuch zu und
     betrachtet die Abbildung des Tellers mit gefüllten Eiern, neben dem die Puppen dekoriert sind.
Russische Eier
steht in der Legende daneben. Jelisaweta rümpft die Nase. So ein Blödsinn. Sie stellt das Buch in den Schrank zurück und greift
     nach der Dose mit dem Eintopf. Sucht nach Töpfen und Schüsseln und findet schließlich sogar ein Tablett mit Klappfüßen, doch
     die Leichtigkeit stellt sich nicht mehr ein. Als sie die gewärmte Suppe nach oben trägt, hört sie auf halber Treppeleise Rufe und hält inne. Die graue Beklemmung will wieder nach ihr greifen. Das ist nicht die Babka, sagt sie sich, sei nicht
     so verrückt, das ist eine harmlose alte Frau, die nach dir ruft. Dann steigt sie entschlossen die Stufen hinauf.

Wilhelmine lehnt sich zufrieden zurück. So umsichtig, das Kind. Wie alt sie sein mag? Wilhelmine schluckt, sucht rasch nach
     der Illustrierten, die hat sie doch vorhin lesen wollen. Vielleicht hat das Mädchen sie mitgenommen. Ob sie nach ihr rufen
     soll? Wie hieß sie noch?
    »Hallo?« Noch einmal ruft sie, nur wenig lauter. »Hallo!«
    Augenblicke später ist das Mädchen da. Es bringt das kleine Klapptischchen, das Karin gekauft hat, und stellt es Wilhelmine
     über den Schoß.
    Wilhelmine sieht in den Teller, greift langsam nach einer Brotscheibe und bricht nach und nach kleine Bröckchen davon ab,
     während das Mädchen im Badezimmer herumhantiert, Wasser laufen lässt und die Toilettensachen hin und her räumt. Aufmerksam
     lauscht Wilhelmine auf jeden Handgriff. Das sind meine Sachen, will sie einwenden und ruft zaghaft: »Das müssen Sie aber nicht
     tun, mein Kind.«
    »Doch, muss ich. Ist alles gedreckt.«
    »Ja, wissen Sie, ich liege ja schon seit Wochen. Erst im Krankenhaus und dann hier.«
    »Hat niemand saubergemacht?« Das Mädchen tritt aus dem Badezimmer, den Scheuerlappen in der Hand.
    »Ach, ich habe es immer gerne getan. Meistens am Morgen, ich stehe sehr früh auf, wissen Sie. Das hab ich auch so gehalten,
     nachdem mein Mann tot war, ach, das ist ja so lange her. Bis Mittags war alles tipptopp, auch der Garten, wissen Sie. Das
     habe ich mir gewünscht, damals, als wir das Haus gebaut haben, mein Mann und ich. Dass ich einen großen Garten bekomme. Wir
     konnten uns das eigentlich nicht leisten, so ein großes Grundstück, es war ja nicht lange nach dem Krieg. Da haben wir das
     Haus ein bisschen kleiner gebaut, wir waren ja nur zu zweit.«
    Und während das Mädchen alle Kristalltiegel auf der Frisierkommode poliert, emsig Spiegel und Türen abledert, erzählt Wilhelmine
     vom Garten; von den Rosen, den schönen dunkelroten; von dem Knöterich hinten am Haus, der ihr Kummer bereitet, wer soll ihn
     denn schneiden, im Frühjahr, wo sie doch schon im Herbst nicht mehr dazu kam? Sie hat lange nicht mehr so viel erzählt, es
     kommt ihr vor, als hätten sich Sätze und Wörter in ihr angesammelt, sie stauen sich beim Sprechen zuweilen und sprudeln dann
     umso rascher hervor.
    Das Mädchen greift nach dem noch vollen Teller über Wilhelmines Schoß, hebt kurz die Brauen. »Ist das schon fertig?«
    »Ach ja, wissen Sie, Eintopf …« Wilhelmine versucht zu lächeln, doch es will ihr nicht recht gelingen. »Aber vielen, vielen
     Dank, Fräulein.«
    »Frau Hübner hat gesagt, Sie essen so gerne.«
    »Ja? Ach …«
    »Was ist mit Tee?«
    Wilhelmine seufzt. »Der ist mir … ein bisschen zustark, entschuldigen Sie. Ich bin das nicht gewohnt, sonst trinke ich keinen schwarzen, immer nur Kräutertee und …«
    Das Mädchen hebt gleichmütig die Schultern. »Mache ich Kräutertee, kein Problem.« Wilhelmine will protestieren, doch da ist
     sie schon die Treppe hinunter. Bald darauf kehrt sie zurück, mit mehr Brot und dazu Rührei und einem neuen Becher Tee, dieses
     Mal von der richtigen Sorte.
    Wilhelmine sieht sie dankbar an. »Mein Gott, ich mache Ihnen so viele Umstände.« Mit Appetit isst sie ihr Rührei, später,
     als das Mädchen fort ist, trinkt sie den Tee.
     
    Von draußen dringt dumpfes Pochen zu ihr, ein vertrautes Geräusch, Wilhelmine kommt bloß nicht darauf, was es ist. Nein, die
     Heizung ist es nicht, die klingt anders, härter. Ach, ist tatsächlich jemand mit dem
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