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Magma

Magma

Titel: Magma
Autoren: Thomas Thiemeyer
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handeln. Jede Minute ist kostbar. Werden Sie mir bei der Zerstörung der Kugeln helfen?«
    Colin saß stocksteif auf seinem Stuhl. Ein Schweißtropfen lief seine Stirn herab, während er seine Antwort sorgfältig abwog. Er war mittlerweile davon überzeugt, dass Weizmann sich in einem derart labilen Zustand befand, dass er die Fassade aus Freundlichkeit, mit der er sich umgab, nur mühsam aufrechterhalten konnte. Ein falsches Wort konnte zu einer Katastrophe führen.
    »Ich glaube, das wird nicht nötig sein«, sagte er, die Worte behutsam formulierend. »Heute Nacht ist uns ein bedeutender Fortschritt geglückt. Wir sind in der Lage, die Kugeln auch ohne Einwirkung von Gewalt zu deaktivieren. Es gibt einen Mechanismus …«
    »Dummes Zeug!«, unterbrach ihn Weizmann. »Das klingt ganz nach einem von Helènes Winkelzügen. Deaktivieren, dass ich nicht lache. Glauben Sie im Ernst, es wäre so einfach, einen Jahrmillionen alten Mechanismus von globaler Zerstörungskraft durch das Drücken von ein paar Knöpfen abzuschalten? Nie und nimmer. Ich habe diesen Streit mit Helène schon geführt, da waren Sie noch nicht geboren. Ich sage Ihnen, diese Frau ist besessen von den Dingern, genau wie ihr Vater. Sie betrachtet sie als ihre Kinder. Sie will sie
besitzen
. Niemals würde sie etwas tun, das ihren geliebten Schützlingen Schaden zufügen könnte.« Er lachte, aber es war ein kaltes Lachen. Erfüllt von Zynismus und Bitterkeit.
    »Ich hätte Sie wirklich für klüger gehalten, Colin. Ich dachte, ich hätte Ihnen etwas mehr Verstand eingebläut. Haben Sie nichts gelernt in den Jahren, in denen Sie in meinen Diensten standen? Skepsis, kritisches Urteilsvermögen, Distanz, haben Sie all das vergessen? Kaum zwei Wochen ist es her, seit ich den Berg verlassen habe, und schon haben Sie sich zu einem von Helènes Speichelleckern entwickelt. Ich hätte wirklich mehr von Ihnen erwartet.« Er blickte auf den jungen Iren herab, der wie ein Häufchen Elend vor ihm saß. »Zum letzten Mal Colin: Werden Sie mir helfen oder nicht? Sie müssen sich entscheiden, jetzt und hier. Sind Sie für oder gegen mich?«
    Colin rang die Hände. Er fühlte sich wie ein wildes Tier, das in die Enge getrieben worden war und vergeblich nach einem Schlupfloch suchte. Doch wie man es auch drehte und wendete, es gab kein Schlupfloch. Er hob den Kopf. »Wenn das die Wahl ist, dann bin ich gegen Sie.«
    Weizmanns Augen funkelten. Mit einer blitzschnellen Bewegung griff er nach der Sektflasche, hob sie empor und ließ sie mit gestrecktem Arm auf Colins Schädel niedersausen. Ein Krachen ertönte, dann sackte der Körper des jungen Mannes zu Boden.

53
    K onrad Martin sah im Widerschein der Kugel verändert aus. Ella hatte ihn während der letzten Minuten aus den Augenwinkeln heraus betrachtet und fand, dass er nun jünger wirkte. Ob das auf die diffuse Beleuchtung zurückzuführen war oder ob die Nähe der Kugel tatsächlich wie ein Jungbrunnen wirkte, konnte sie nicht beurteilen. Seine Haut war jedenfalls glatter, sein Gesicht nicht mehr so kantig. Die Narben waren verschwunden und der Bart wirkte nicht mehr wie mit dem Lineal gezogen. Mit einem Mal sah er so aus wie auf den Fotos, die Helène ihr gezeigt hatte.
    »Wie bist du auf die Idee gekommen, dass das Problem darin bestand, die Kugeln wieder zusammenzuführen?«, fragte er, während er versonnen auf die leuchtende Sphäre blickte. »Die Idee lag nicht gerade auf der Hand, oder?«
    Er hatte sich wirklich verändert. Die Art, wie er mit ihr sprach, sein ganzes Verhalten ihr gegenüber hatte sich um hundertachtzig Grad gedreht. Er sprach mit ihr wie mit einem ebenbürtigen Wesen.
    »Ich musste in letzter Zeit viel an Cathy denken«, sagte Ella. »Die ganze Zeit frage ich mich, wie es ihr wohl geht, ob sie glücklich ist und ob sie wohl ab und zu an mich denkt. Sie führt jetzt ein eigenes Leben, ein neues Leben, mit einer neuen Mutter. Sie braucht mich nicht, habe ich mir versucht einzureden, und vielleicht ist das auch so – aber verdammt noch mal, ich brauche
sie
. Ich dachte, ich könnte sie vergessen und vollkommen aus meinen Gedanken verbannen, wenn ich mich nur intensiv genug in meine Arbeit stürze. Eine Zeitlang ging das auch gut, aber jetzt haben mich die Geister, die ich gerufen habe, in ihren Fängen. Kein Tag, an dem ich nicht an sie denken muss, keine Nacht, in der sie nicht durch meine Träume geistert. Ich habe mir fest vorgenommen, mich vollkommen aus ihrem Leben rauszuhalten, aber
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