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Magische Zeiten - Ploetzlich verzaubert

Magische Zeiten - Ploetzlich verzaubert

Titel: Magische Zeiten - Ploetzlich verzaubert
Autoren: Katja Henkel
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dann ein dünnes Plätschern hörten, flüsterte Suse: »Warum hast du mir nicht gestern davon erzählt?« Ihre Augen wurden ganz dunkel.
    Normalerweise habe ich nie Geheimnisse vor ihr, wir erzählen uns wirklich alles. Schließlich haben wir uns erst vor einem halben Jahr in nächtelanger Kleinarbeit Freundschaftsbänder geknüpft und uns gegenseitig ums Handgelenk gebunden. Aus roten Lederbändern mit ein paar silbernen Perlen dazwischen und einem echten Türkis, den wir im »Besenflug« gekauft hatten, einem kleinen Laden in der Innenstadt. Die Besitzerin sagte, dass der Türkis ein Schutzstein wäre und somit unsere Freundschaft beschützen würde. Dann erklärte sie uns noch, wie wir die Freundschaftsbänder in einer Vollmondnacht »aufladen« sollten. Mit einem Ewigkeitsritual verbunden und dem Schwur, immer ehrlich zueinander zu sein. Und jeder Menge Weihrauch (inklusive Hustenanfall meinerseits) und Teelichten. Meine Mutter glaubte zuerst, wir hätten gekifft. Aber Opa hat nur schallend gelacht und sie gefragt, ob sie denn nicht mal wisse, wie Pot riecht.
    »Tut mir leid«, sagte ich zerknirscht. »Aber ich war echt einfach nur verwirrt.«
    Suse sagte ziemlich lange nichts, dann nickte sie. »Okay. Also. Du willst aus der Schule abhauen, um zu verhindern, dass du in der großen Pause ohnmächtig wirst.«
    »Ganz genau«, wisperte ich zurück. »Ich geh nach Hause und fertig. Opa soll mir eine Entschuldigung schreiben.«
    Die Toilettenspülung rauschte, Sekunden später kam Kristen heraus, durchbohrte uns noch einmal mit einem Blick und verdrückte sich.
    »Wäh, sie hat sich nicht mal die Hände gewaschen«, sagte ich.
    Suse sprang vom Fensterbrett, baute sich vor dem Spiegel auf und zog eine Tube Lipgloss aus der Hosentasche. »Keine Sorge, ich erklär das der Landkarte schon irgendwie.«
    »Danke.« Ich hüpfte neben sie und drückte ihr rechts und links einen Kuss auf die Wange. Ananasgeruch wehte mir in die Nase. »Du bist die Beste.«
    »Ich weiß.« Sie sah mir durch den Spiegel lange in die Augen. »Jetzt werden wir nie erfahren, ob Henri echt mit uns geredet hätte. Schöner Mist!«
    Notiz an mich selbst: Orangene Unterhose und grünes T-Shirt verbrennen. Umgehend.

3. Kapitel
    Ich gehe auf die Humboldtschule oder, wie manche Witzbolde sagen: Dummboldschule. Der Heimweg ist ungefähr zwei Kilometer lang und führt durch einen Park mit lang geschwungenen Wegen, Pavillons, Skulpturen und einem Teich mit einer Wasserfontäne. Dafür brauchte ich an diesem Tag exakt neuneinhalb Minuten. Zu Hause angekommen starrte ich kurz in den Himmel, der voller dicker schwarzer Wolken hing. Auch das noch. An meinem Geburtstag! Ich stürzte ins Haus, rannte die Treppe hoch und stieß, ohne anzuklopfen, die Tür auf. Es machte rummmmms und ich sah gerade noch, wie mein Opa rückwärts umfiel wie ein gefällter Baum. Zum Glück landete er mehr oder weniger auf seinem Bett, aber er sah doch ziemlich finster drein, als er sich endlich aufgerappelt hatte und sich auf die Bettkante hockte.
    »Luna Mai! Wie oft muss ich dir noch sagen, dass du anklopfen sollst. Vor allem, wenn ich morgens meinen Kopfstand mache!« Opa nennt mich, immer wenn er sauer ist, bei meinem Vor- und Nachnamen.
    »Entschuldige«, murmelte ich. »Hast du dir wehgetan?«
    Er schloss einen Moment die Augen, dabei kippte er den Kopf zur Seite, wie um jemandem zuzuhören, der in seinem Kopf saß und ihm was erzählte. Dann sah er mich mit seinen eisblauen Augen an und lächelte. »Nein, hab ich nicht. Aber warum kommst du in aller Herrgottsfrühe in mein Zimmer?«
    »In aller Herrgottsfrühe, von wegen. Ich hab heute, an meinem GEBURTSTAG, schon einen Mathetest geschrieben. Na ja, sozusagen. Und jetzt brauche ich eine Entschuldigung, weil ich früher nach Hause gegangen bin. Und zwar von dir.« Ich brach ab. »Seit wann machst du morgens einen Kopfstand?«
    »Seit ungefähr vierzig Jahren.«
    Er band sich seine langen grauen Haare zu einem Zopf zusammen, was komisch aussieht, aber irgendwie besser, als wenn er die Haare ins Gesicht hängen lässt. Ich meine, er ist immerhin Opa. Und das schon seit vielen Jahren.
    »Solltest du auch mal probieren. Gleich morgens alles auf den Kopf stellen und die Welt aus einem anderen Blickwinkel betrachten.«
    Besten Dank, dachte ich, meine Welt ist schon genug auf den Kopf gestellt.
    »Hör zu, Opa.« Ich senkte meine Stimme zu einem Flüstern. »Es ist etwas passiert. Heute Nacht. Ich habe… ich konnte… ich weiß
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