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Magierdämmerung 02 - Gegen die Zeit

Magierdämmerung 02 - Gegen die Zeit

Titel: Magierdämmerung 02 - Gegen die Zeit
Autoren: Bernd Perplies
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innen gedrückt worden, so als habe sich ein ziemlich schwerer Körper mit Macht dagegengeworfen. Vielleicht doch ein Drache , dachte David und senkte kampfbereit seine Lanze, wie er es auf den Bildern vom Heiligen Georg im Geschichtsbuch des Pastors gesehen hatte – nur dass der Heilige Georg ein richtiger Ritter hoch zu Ross und kein zehnjähriger Knabe gewesen war.
    Zitternd vor Anspannung wagte David sich hinein in das schwarze Loch, das ebenso gut das Maul eines urzeitlichen Ungetüms hätte sein können. An der rechten Wand stapelten sich Holzkisten, und als der Junge seine Lampe in ihre Richtung schwenkte, schrak er zusammen. Die Gefahrensymbole, die in dicker schwarzer Farbe auf den Kistenseiten prangten, waren eindeutig: Es befand sich Dynamit darin.
    Das schnaufende Heulen wiederholte sich, und diesmal schien der Laut etwas mit sich zu tragen, das an menschliche Worte erinnerte. David runzelte die Stirn und versuchte angestrengt, dem unartikulierten Klagen einen Sinn abzutrotzen. Aber es wollte ihm nicht gelingen. Was bist du? , fragte er sich.
    Die grauenvolle Antwort auf seine Frage erhielt der Junge fünf Schritte später. Er hatte soeben den Kistenstapel passiert und hob vorsichtig seine Lampe, um den Raum, der sich dahinter öffnete, zu erhellen, als der Schein der kleinen Flamme das Ungetüm aus der Finsternis holte, in der es sich bislang verborgen hatte.
    Im ersten Moment glaubte David noch, eine Dampflokomotive vor sich zu haben, und er fragte sich, wie bei allen Heiligen eine Dampflokomotive hier in den Schuppen gelangt sein könne. Dann bewegte sich die Maschine, und der Junge wurde kreidebleich. Durch welch grausige, aller gerechten Schöpfung Gottes spottende Laune dunkler Mächte dieses Wesen, diese Abnormität zustande gekommen sein mochte, ging über Davids Fassungsvermögen. Dennoch war da unbestreitbar der Körper eines Menschen, eines über die ganze Länge des Kessels gestreckten Mannes in Eisenbahnerkleidung, dessen Fleisch irgendwie mit dem Metall der Maschine verschmolzen war. Seine Beine zogen sich – dicken Adern im brünierten Kesselstahl gleich – bis zum Führerhaus, die Arme schienen mit dem Antriebsgestänge der Lok verwachsen, und sein Gesicht, unmöglich verzogen und vor Qualen verzerrt, ragte aus der Front des Kessels hervor. Bizarr geweitete Augen glotzten David flehend an, und ein Mund, der von Stahlnieten gesäumt war, öffnete und schloss sich hilflos wie das Maul eines Fisches auf dem Trockenen.
    Ein schnaufendes Heulen drang aus seinem Mund, als der Mann zu sprechen ansetzte. »Töte mich«, bat er mit kaum verständlicher Stimme, während dunkles Öl wie Blut über seine Lippen kam und sein metallenes Kinn herabtroff. »Töte mich …«
    Schreiend erwachte David aus seiner Erstarrung. Er ließ die Lanze und die Öllampe fallen, wirbelte herum und rannte davon, fort, nur fort, als seien alle geifernden Dämonen der Hölle hinter ihm her. Vergessen war der Drache, vergessen war die Gefahr der explodierenden Pfützen. Er wollte nach Hause, sich in die Arme seines Vaters flüchten und ihm aschfahl und zitternd vor Grauen versprechen, dass er sich nie wieder heimlich nachts nach draußen schleichen würde. Nie wieder.
    Es dauerte ein paar Minuten, bis das brennende Öl der umgefallenen Lampe die Kisten mit Dynamit erreichte. Dann jedoch zerriss eine Explosion die Nacht, die noch im Umkreis von Meilen zu hören war, und eine Staubwolke erhob sich in den Himmel, als sei nördlich von Brixworth ein Vulkan ausgebrochen. Die herbeigeeilten Dorfbewohner sollten bloß noch einen riesigen Krater vorfinden, in dem Trümmer der Holzschuppen lagen und in dessen Mitte die qualmenden Überreste einer Cauliflower der London and North Western Railway mit der Nummer 115 standen. Wie die Lokomotive dorthin gekommen war, erfuhren sie nie.

 
    KAPITEL 14: DAS TIER IST ERWACHT

    »et vidi de mare bestiam ascendentem habentem capita septem et cornua decem et super cornua eius decem diademata et super capita eius nomina blasphemiae. […] et datum est ei os loquens magna et blasphemiae et data est illi potestas facere menses quadraginta duo / et aperuit os suum in blasphemias ad Deum blasphemare nomen eius et tabernaculum eius et eos qui in caelo habitant / et datum est illi bellum facere cum sanctis et vincere illos et data est ei potestas in omnem tribum et populum et linguam et gentem / et adorabunt eum omnes qui inhabitant terram …«
    – Offenbarung, Kap. 13, Verse 1,5–8
(nach der
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