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Magier von Moskau

Magier von Moskau

Titel: Magier von Moskau
Autoren: B Akunin
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einschüchtern läßt. Diese flinken, flitzenden Tierchen sind jetzt ihre Verbündeten, denn wie Colombina gehören sie nicht dem Tag, sondern der Nacht. Schlimmstenfalls kann sie ja »Antirattenwurst« kaufen, für die in den »Nachrichten« geworben wird.
    Colombina ging auf den Markt, um Lebensmittel zu holen (diese Preise in Moskau!), da erwarb sie noch einen Verbündeten aus der nächtlichen Welt des Mondlichts.
    Sie kaufte einem Jungen für acht Kopeken eine kleine schillernde Natter ab, die sich im Korb sogleich zusammenringelte und ganz still war.
    Wozu sie die kaufte? Sie wollte so schnell wie möglich Marja Mironowa aus sich austreiben. Die dumme Gans hatte Schlangen noch mehr gefürchtet als Mäuse. Wenn sie eine auf einem Waldweg entdeckt hatte, war des Kreischens kein Ende gewesen.
    Zu Hause nahm Colombina, sich auf die Lippe beißend, das Reptil in die Hände. Das Schlänglein war entgegen seinem Aussehen nicht feucht und glitschig, sondern trocken, |29| rauh und kühl. Die winzigen Äuglein blickten verängstigt auf die Riesin.
    Der Junge hatte gesagt, wenn man die Schlange in Milch lege, werde sie gut gedeihen, und wenn sie groß sei, tauge sie zum Mäusefangen. Aber Colombina hatte einen anderen Einfall, der noch interessanter war.
    Als erstes fütterte sie die Natter mit Dickmilch, dann gab sie ihr den Namen Luzifer und färbte die gelben Flecke an beiden Seiten des Kopfes mit Tusche schwarz – so entstand ein geheimnisvolles Reptil, das durchaus tödliches Gift verspritzen konnte.
    Colombina machte vor dem Spiegel den Oberkörper frei, legte das vom Fressen ermattete Tier an die entblößte Brust und weidete sich an dem Anblick – infernalisch. War das nicht wie der »Letzte Augenblick der Kleopatra«?
     
    Das Glückslos
     
    Auf die Begegnung mit Arlecchino bereitete sie sich stundenlang vor, dann ging sie beizeiten aus dem Haus, um ihre erste feierliche Promenade durch Moskaus Straßen ohne Eile zu absolvieren und der Stadt Gelegenheit zu geben, den Anblick der neuen Einwohnerin zu genießen.
    Beide – Moskau und Colombina – machten großen Eindruck aufeinander. Die Stadt war an diesem trüben Augustabend träge, gelangweilt, blasiert, das Fräulein dagegen hellwach, nervös, jedweder Überraschung gewärtig.
    Für ihre Moskauer Premiere hatte Colombina eine Gewandung gewählt, wie sie hier sicherlich noch nie gesehen wurde. Ein Hütchen hatte sie als bürgerliches Zubehör nicht aufgesetzt, hatte statt dessen ihr dichtes Haar gelöst, unterhalb des rechten Ohrs mit einem breiten schwarzen Band |30| zusammengerafft und dieses zu einer üppigen Schleife gebunden. Über der zitronengelben Seidenbluse mit den spanischen Ärmeln und einem vielschichtigen Jabot trug sie eine himbeerrosa Weste mit Silbersternchen; der unendlich weite Rock, dunkelblau schillernd und mit zahllosen Falten, umwogte sie wie Ozeanwellen. Ein wichtiges Detail ihres frechen Kostüms war ein orangener Stoffgürtel mit einer hölzernen Schnalle. Für die Moskowiter gab es also allerhand zu sehen. Ein paar besonders neugierige Gaffer erwartete eine zusätzliche Erschütterung: Das schwarzblinkende Halsband der umwerfenden Spaziergängerin erwies sich bei näherem Hinschauen als lebendige Schlange, die ab und zu das schmale Köpfchen hin und her drehte.
    Von Ohs und Ahs begleitet, schritt Colombina stolz über den Roten Platz, überquerte die Moskwa-Brücke und bog in die Sofiskaja-Uferstraße ein, wo das bessere Publikum promenierte. Hier präsentierte sie sich, schaute aber auch selbst mit großen Augen und sammelte Eindrücke.
    Die Moskowiterinnen kleideten sich größtenteils langweilig: glatter Rock und weiße Bluse mit Schlips oder Seidenkleid in tristen dunklen Farbtönen. Beeindruckend war die Größe der Hüte, die in dieser Saison besonders opulent waren. Extravagante Damen und Fräuleins waren fast gar nicht zu sehen, höchstens eine mit einem wehenden Gazeschal, und dann ritt eine perlgrau gekleidete verschleierte Amazone vorüber, in der Hand eine lange Zigarettenspitze aus Bernstein. Stilvoll, fand Colombina, indes sie ihr mit dem Blick folgte.
    Junge Männer mit Bluse und Baskenmütze, mit langem Haar und einem Schleifchen auf der Brust gab es in Moskau reichlich. Einen sprach sie sogar an, weil sie ihn von weitem für Petja gehalten hatte.
    |31| Am Treffpunkt erschien sie absichtlich mit zwanzig Minuten Verspätung, dazu hatte sie auf der Uferstraße zweimal umkehren müssen.
    Arlecchino wartete bei dem
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