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Magier von Moskau

Magier von Moskau

Titel: Magier von Moskau
Autoren: B Akunin
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Assistentin von Professor Simin?«
    Da riß die Bewohnerin des schicken Hotelzimmers sich zusammen. Sie blies einen blaugrauen Rauchstrahl in die Sprechmuschel und flüsterte: »Ich bin’s, Colombina.«
    »Wer?« fragte Petja verwundert. »Sie sind nicht Frau Mironowa vom Lehrstuhl für römisches Recht?«
    Sie mußte dem Begriffsstutzigen erklären: »Erinnerst du dich nicht an die Laube über der Angara? Und wie du mich Colombina genannt hast?« Und nun paßte prächtig der zurechtgelegte Satz: »Ich bin’s. Wie aus heiterem Himmel. Ich bin zu dir gekommen. Du kannst mit mir machen, was du willst. Kennst du das Hotel ›Elysium‹?« Sie ließ dem klangvollen Wort eine Pause folgen. »Komm her. Ich warte auf dich.«
    Jetzt hatte er begriffen! Er atmete hastig und sprach dumpf, hatte wohl die Hand über die Muschel gelegt.
    »Maschenka, das heißt, Colombina, ich freue mich schrecklich, daß Sie da sind …« In Irkutsk hatten sie sich zwar gesiezt, aber nun empfand Colombina diese Anrede als unpassend, wenn nicht beleidigend. »Wirklich, wie aus heiterem Himmel … Nein, das ist einfach fabelhaft! Nur kann ich jetzt nicht kommen, ich habe morgen eine Wiederholungsprüfung. Ist auch schon spät, da löchert Mama mich mit Fragen …«
    Und dann stammelte er Klägliches über eine verhauene Prüfung und das Ehrenwort, das er dem Vater gegeben habe.
    Das Spiegelbild klapperte mit den hellen Wimpern, die |24| Mundwinkel krochen abwärts. Wer hätte gedacht, daß der listige Verführer Arlecchino vor einer Liebeseskapade seine Mami um Erlaubnis fragen mußte? Um die sinnlos ausgegebenen fünfzehn Rubel tat es ihr entsetzlich leid.
    »Weshalb sind Sie nach Moskau gekommen?« flüsterte Petja. »Wirklich nur, um sich mit mir zu treffen?«
    Sie lachte schallend, das gelang ihr gut, ein bißchen heiser, von der Papirossa wohl. Damit er sich nicht zu viel einbildete, sagte sie geheimnisvoll: »Das Treffen mit dir ist nur das Präludium zu einem anderen Treffen. Verstehst du mich?«
    Und sie deklamierte aus Petjas Gedicht:
    »Wie den Versklang das Leben zu schätzen.
    Ohne Schwanken den Punkt einst zu setzen.«
    Damals in der Laube hatte die frühere, noch dumme Mascha mit glücklichem Lächeln (peinlich, jetzt daran zu denken) gehaucht: »Das muß das Glück sein.« Der Moskowiter Gast hatte nachsichtig gesagt: »Glück, Maschenka, ist ganz was anderes. Glück ist nicht ein flüchtiger Augenblick, sondern die Ewigkeit. Nicht ein Komma, sondern der Punkt.« Und er sprach das Gedicht. Mascha erglühte, riß sich aus seiner Umarmung und stellte sich an den Rand des Abgrunds, unter dem das dunkle Wasser atmete. »Soll ich jetzt gleich den Schlußpunkt setzen?« hatte sie gerufen. »Glaubst du, ich fürchte mich?«
    »Sie … Du meinst das im Ernst?« kam es ganz leise aus dem Hörer. »Denke nicht, ich hätte das vergessen …«
    »Und ob ich’s ernst meine«, sagte sie auflachend, erregt vom besonderen Klang seiner Stimme.
    »Eines kommt zum anderen«, flüsterte Petja Unverständliches. »Ist gerade eine Vakanz … Verhängnis. Schicksal … Ach, komme, was wolle … Hör zu … Wir wollen uns morgen |25| abend treffen, um viertel neun … Ja, genau um viertel … Bloß wo?«
    Colombinas Herz hämmerte rasch-rasch – sie versuchte zu erraten, was für einen Treffpunkt er ihr vorschlagen würde. Einen Park? Eine Brücke? Einen Boulevard? Gleichzeitig rechnete sie nach, ob sie es sich leisten konnte, das Zimmer im »Elysium« für eine weitere Nacht zu behalten. Das wären zusammen dreißig Rubel, davon konnte sie einen Monat leben. Wahnsinn!
    Aber Petja sagte: »Beim Beerenmarkt auf dem Sumpf.«
    »Auf dem Sumpf?« fragte Colombina verdutzt.
    »Auf dem Sumpfplatz, der ist nicht weit vom ›Elysium‹. Von dort gehen wir zu einem ganz besonderen Ort, wo du ganz besondere Leute kennenlernen wirst.«
    Er sagte das so geheimnisvoll, so feierlich, daß Colombina nicht den Schatten einer Enttäuschung empfand, im Gegenteil, sie spürte deutlich das zauberhafte »Beben ohne Ende« und begriff: Jetzt beginnen die Abenteuer. Nicht ganz so, wie sie es sich vorgestellt hatte, aber sie war doch nicht vergeblich in die STADT DER TRÄUME gekommen.
    Bis spät in die Nacht saß sie am offenen Fenster im Sessel, in ihr Plaid gehüllt, und sah die Lastkähne mit schaukelnden Laternen auf dem Moskwa-Fluß fahren.
    Sie war höchst gespannt auf diese »ganz besonderen Leute«.
    Wenn nur der morgige Abend bald anbräche!
     
    Der letzte
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