Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Magie und Schicksal - 2

Magie und Schicksal - 2

Titel: Magie und Schicksal - 2
Autoren: Michelle Zink
Vom Netzwerk:
meiner Taille, und ich gebe mich ganz der Bewegung hin, lasse mich treiben und bin froh, dass jemand anderer die Führung übernommen hat, und sei es auch nur für einen Tanz.
    Die Musik steigert sich zu einem Crescendo und wechselt dann die Melodie. Diesmal bin ich diejenige, die Dimitri mit sich zieht, weg von der Tanzfläche.
    »Ich möchte gerne etwas trinken«, spreche ich ihm ins Ohr, um mir Gehör zu verschaffen.
    Er nickt und grinst. »Habe ich dich durstig gemacht, Mylady?«
    Ich hebe die Augenbrauen. »Das kann man so sagen.«
    Er wirft den Kopf zurück und lacht. Ich höre den Hall über die Musik und die Gespräche im Saal hinwegfliegen.
    Wir schieben uns zwischen den Gästen hindurch in Richtung der Erfrischungen, als ich ein Profil entdecke, das mir vertraut ist. Ein Wangenknochen, zart und kantig zugleich, unter grünen Augen, die mir durch den Raum hinweg zufunkeln. Wie konnte ich sie überhaupt erkennen – aus dieser Entfernung und wo doch ihr Gesicht fast vollständig hinter einer Maske aus Goldflitter und lilafarbenen Edelsteinen verborgen ist?
    Aber ich bin mir meiner Sache sicher und schiebe mich auf sie zu, ohne ein Wort der Erklärung zu Dimitri.
    »Lia? Wohin gehst …?« Ich höre seine Stimme hinter mir,
aber meine Füße haben ein Eigenleben entwickelt und tragen mich ohne Umschweife zu der Frau, deren Haltung ich wohl überall erkennen würde.
    Ich greife nach ihrem Arm. Mir kommt überhaupt nicht in den Sinn, dass ich mich irren könnte.
    Sie scheint nicht im Mindesten überrascht zu sein. Sie blickt nicht einmal auf meine Hand, die ihren schmalen Oberarm umfasst hält. Nein. Sie wendet sich langsam zu mir um, als ob sie erwartet hätte, dass ich sie ausfindig machen würde.
    Ich sehe mich in meiner Vermutung bestätigt, noch ehe sie sich ganz umgedreht hat. Ich erkenne die stolze Linie ihres Kinns. Das herausfordernde Blitzen in ihren Augen.
    »Alice«, hauche ich. Kein Zweifel, sie ist es. Ich habe sie in den Anderswelten gesehen und in der wirklichen Welt. Ihr Geist hat mich in den vergangenen Monaten heimgesucht, während derer sie immer mächtiger wurde und schließlich gelernt hat, ungehindert zwischen den Welten zu wandern. Ich habe als Kind neben ihr geschlafen und nachts ihrem sanften Atem gelauscht. Trotz der Maske weiß ich genau, dass es Alice ist.
    Ihr Lächeln ist träge und wissend. Meine Schwester hat schon immer die lässige Überlegenheit genossen, mehr zu wissen als andere. Und doch liegt in ihren Augen noch etwas anderes. Etwas Wachsames, Unergründliches.
    »Guten Abend, Lia. Ich dachte schon, dass ich dich hier treffen würde.«
    Ihre Augen bergen ein dunkles Geheimnis, und das
ängstigt mich mehr als die Tatsache, dass ich es nun hier in London mit der wahrhaftigen Alice zu tun bekomme – nicht länger mit dem Geistwesen – und dass sie mächtiger ist als je zuvor.
    Ich blinzle und versuche noch immer, den Schock, sie von Angesicht zu Angesicht vor mir zu sehen, zu überwinden. »Was machst du hier? Ich meine … Ich … Warum bist du hier?«
    Es gibt so vieles, was ich sagen sollte. Ich sollte sie anschreien, Erklärungen verlangen. Aber der Maskenball und mein Schock arbeiten Hand in Hand und ermöglichen mir, höflich zu bleiben, obwohl mir ein unterdrückter Schrei die Kehle zusammenpresst.
    »Ich will Einkäufe machen. Vorbereitungen treffen.« Sie sagt es, als ob es die selbstverständlichste Sache der Welt wäre, aber ich habe das Gefühl, dass mich ein Wirbelwind in die Anderswelten getragen hat, an einen Ort, der genauso aussieht und genauso klingt wie meine eigene Welt, aber in Wahrheit eine verdrehte und verquere Version davon ist.
    »Vorbereitungen? Wofür?« Ich komme mir vor wie ein Dorftrottel. Es ist offensichtlich, dass Alice mich an der Nase herumführt, und trotzdem kann ich sie nicht einfach stehen lassen. Sie hat mich fest im Griff, wie immer.
    Selbst hier. Selbst jetzt noch.
    Sie lächelt, und einen Moment lang glaube ich, dass sie keine Spielchen mit mir spielt. »Für meine Hochzeit, wofür sonst?«

    Ich schlucke die düstere Vorahnung herunter, die in mir aufsteigt, während sie sich einem Herrn an ihrer Seite zuwendet. Ich hatte nur Augen für sie, sodass ich ihren maskierten Begleiter überhaupt nicht bemerkt habe.
    Aber jetzt sehe ich ihn. Ich sehe ihn und fühle, wie mein Inneres hohl wird.
    Er ist schon dabei, seine Maske abzulegen. Er tut es langsam, zögernd, sodass sein Gesicht Zentimeter für Zentimeter freigelegt wird, bis ich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher