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Magie der Worte

Magie der Worte

Titel: Magie der Worte
Autoren: Verena Basilissa
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möglich, den Inhalt zu deuten: Es ist von den Idisen die Rede. Diese Kriegsgöttinnen oder Walküren ließen sich auf dem Schlachtfeld nieder und griffen auf besondere Weise ins Kampfgeschehen ein: Manche knüpften Fesseln (halfen also, Feinde gefangen zu nehmen), andere hinderten das feindliche Heer am siegreichen Vordringen und eine dritte Gruppe half gefangenen Kriegern, sich aus der Gefangenschaft zu befreien. Und so lautet die eigentliche Zauberformel: „Entspring den Haftbanden, entfahr den Feinden!“
    Der zweite Merseburger Spruch war ein Blut- oder Wundsegen. Im Original lautet er so:
    Phol ende Uuôdan uuorun zi holza.
Dû uuart demo Balderes uolon sîn uuoz birenkit.
Thû biguol en Sinthgunt, Sunna era suister,
thû biguol en Frîia, Uolla era suister;
thû biguol en Uuôdan sô hê uuola conda:
sôse bênrenkî, sôse blutrenkî,
sôse lidirenkî:
bên zi bêna, bluot zi bluoda,
lid zi geliden, sôse gelimida sin!
    Die Übersetzung in für uns lesbares, aber dennoch schwer verständliches Hochdeutsch ergibt dann:
    Phol und Wodan ritten ins Holz.
Da ward dem Fohlen Balders der Fuß verrenkt.
Da besprach ihn Sinthgunt (und) Sunna, ihre Schwester.
Da besprach ihn Frija (und) Volla, ihre Schwester.
Da besprach ihn Wodan, wie (nur) er es verstand:
So Knochenrenke wie Blutrenke
Wie Gliedrenke:
Bein zu Bein, Blut zu Blut,
Glied zu Gliedern, als ob geleimt sie seien!
    Sprachwissenschaftler haben für den diesen Spruch folgende Bedeutung herausgefunden: Es wird zunächst berichtet, dass eine Gruppe von Göttern, darunter der Sonnengott Balder (= Phol) und Wodan, der oberste der germanischen Götter, durchs Holz (also durch den Wald) ritt. Balders Pferd stolperte und verrenkte (oder brach) sich den Fuß. Schließlich gelang es Wodan (er allein konnte das – darauf deutet das Wort „nur“ hin), die Verletzung durch Besprechen zu heilen. Die Formel lautet dann also: „So Knochenverrenkung, wie Blutverrenkung, wie Gliedverrenkung: Bein (= Knochen) zu Bein, Blut zu Blut, Glied zu Gliedern, als ob geleimt sie seien!“
    Dahinter steht ein uralter magischer Glaube: Heilkundige Menschen (und erst recht Götter!) können durch die Anwendung von Zaubersprüchen und -formeln oder auch durch Handauflagen Krankheiten und Wunden zum Verschwinden bringen.
    Kein Zauber ohne Zauberspruch
    Das war früher jedem Menschen klar. Selbst in unserer modernen Zeit kennen wir dies noch – und es funktioniert auch: Warzen werden durch Besprechen geheilt. Welche Kräfte da wirken – ob tatsächlich Magie im Spiele ist oder aber die Heilkraft durch Autosuggestion –, sei dahingestellt...
    Ob man nun eine Krankheit heilen, einen Dieb bannen, das Haus segnen, die Liebe einer bestimmten Person erlangen oder die Kuh nicht „verkalben“ lassen wollte – immer wurde die jeweilige Zauberhandlung von einem dazu passenden Wort oder Spruch begleitet. Viele dieser Sprüche kennen und benutzen wir in gewisser Weise heute noch.
Wir sagen z.B. „Gesundheit“, wenn jemand niest.
Unsere Großeltern kannten vielleicht noch den Ausspruch unbeschrien , mit dem man wortmagisch kundtat, sich vor einem bösen Fluch schützen zu wollen.
Sicher entschuldigen Sie sich, wenn Sie jemandem etwas „angetan“ haben, auch wenn’s ein Versehen war. Auch dies tut man ursprünglich deshalb, um einer Verwünschung vorzubeugen.
Selbst Formulierungen zu Begrüßung und Abschied wie das bayerische Behüt dich Gott und Grüß Gott , das französische Adieu (= „Gott befohlen“), die Urform unseres deutschen Ade , sind segensreiche Wünsche und damit in gewisser Weise – Zauberformeln.
Sie sehen also erneut: Sprache ist Magie.
    Viele Formeln wurden verschlüsselt
    In alten Zaubersprüchen findet man unverständliche, aus alten oder fremden Sprachen übernommene oder auch erfundene, aber „klingende“ Worte und Namen. Seit dem Mittelalter rätselt man über die geheime Bedeutung des „magischen Buchstabenquadrates“, der so genannten Satorformel (siehe unten). Oft genug ergaben die verwendeten Formeln für den Uneingeweihten nicht den geringsten Sinn – sei es, weil sie in irgendeiner „Geistersprache“ abgefasst sein sollten. Oder weil sie zur Wahrung und möglicherweise Erhöhung ihrer Wirksamkeit in einer Art Chiffre niedergeschrieben waren.
    Eine ganze Reihe solcher Zaubersprüche vermochte selbst der kombinierte Scharfsinn mehrerer Generationen von Forschern nicht zu entschlüsseln: Sie waren auf zu geschickte Weise kodiert worden. Manchmal jedoch
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