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Magazine of Fantasy and Science Fiction 10 - Wanderer durch Zeit und Raum

Magazine of Fantasy and Science Fiction 10 - Wanderer durch Zeit und Raum

Titel: Magazine of Fantasy and Science Fiction 10 - Wanderer durch Zeit und Raum
Autoren: V.A.
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Künstler war die Ähnlichkeit mehr als nur bemerkenswert. Bei allen aber war die Haltung Ahasvers sinnlos, wenn man an die Rolle dachte, die er in der Legende spielte.
    Ich begann George zu verstehen. Ich begann ihm recht zu geben.
    »In allen sechs Fällen«, sagte er schließlich, »wurden die Gemälde nach der Reinigung gestohlen. Sogar der Holbein aus der Sammlung Görings, nachdem er von Insassen eines Konzentrationslagers überarbeitet worden war. Es ist so, wie du gesagt hast, Charles. Man könnte zu der Überzeugung gelangen, daß jemand großen Wert darauf legt, uns nicht das wahre Gesicht des ewigen Juden sehen zu lassen.«
    »Eine gewagte Voraussetzung, George. Kannst du deine Behauptung, abgesehen von dem Leonardo, auch in den anderen Fällen nachweisen?«
    »Noch nicht, leider. Keine Galerie gibt natürlich jemand gern die Gelegenheit, ihr eine noch so geringfügige Fälschung nachzuweisen. Ich weiß, daß alles nur eine Hypothese ist, aber findest du eine bessere Erklärung?«
    Ich schüttelte den Kopf und ging zum Fenster. Die Geräusche der Bond Street drangen bis zu uns herauf; sie waren alltäglich und gehörten zur nüchternen Wirklichkeit, nicht aber zu den phantastischen Gedanken, die mir jetzt durch den Kopf gingen. Ich sprach es aus:
    »Willst du allen Ernstes behaupten, George, daß die schwarzgekleidete Gestalt von Ahasver jetzt in diesem Augenblick dort unten auf der Straße gehen könnte, daß sie es seit Jahrhunderten tut und die Bilder stiehlt und fälscht, auf denen zu sehen ist, wie er Christus am Kreuz verschmäht? Die Idee ist doch absurd.«
    »Nicht absurder als der Diebstahl des Gemäldes. Alle Beteiligten und Eingeweihten sind sich darin einig, daß es von niemand aus dem Louvre geholt werden konnte, der an die physikalischen Gesetze unseres Universums gebunden ist.«
    Einen Augenblick lang starrten wir uns über den Tisch hinweg an.
    »Schon gut«, sagte ich nachgiebig, denn ich wollte es nicht mit ihm verderben. »Wäre es unter diesen Umständen nicht das Einfachste, in aller Ruhe abzuwarten, bis der Leonardo wieder auftaucht?«
    »Nicht unbedingt. Die meisten der gestohlenen Gemälde wurden erst nach zehn oder zwanzig Jahren wiedergefunden. Ich weiß nicht, warum es so lange dauert. Vielleicht ist die Überwindung von Raum und Zeit sehr anstrengend, vielleicht ist sein Zeitmaß von dem unseren verschieden – ich weiß es nicht. Vielleicht erschreckt ihn auch der Anblick der Anblick der Originalgemälde so ...« Er verstummte, als ich auf ihn zukam, um dann neu zu beginnen: »Charles, ich weiß, wie phantastisch der Gedanke an das alles ist, aber es besteht doch die geringe Chance, daß es auch wahr ist. Ich brauche deine Hilfe. Wenn Ahasver existiert, ist er ein großer Kunstkenner, der von allen Künstlern angezogen wird, die Kreuzigungen malten. Durch ein Gefühl der Schuld vielleicht. Wir müssen die Galerien und Kunstausstellungen überwachen, uns mehr um den Handel kümmern. Dieses Gesicht, die schwarzen Augen, der Bart – früher oder später werden wir ihm begegnen. Er wird weiter nach Kreuzigungen und Abendmahlbildern suchen. Denke doch mal scharf nach, Charles, kannst du dich wirklich nicht an das Gesicht erinnern?«
    Ich blickte nachdenklich hinab auf den Teppich und sah das dunkle Gesicht vor mir, wie ich es von den Gemälden her kannte. »Geh schneller!« hatte er Christus zugerufen, als dieser mit dem Kreuz an ihm vorbeikam. Und Christus hatte geantwortet: »Ich gehe aber du wirst warten, bis ich zurückkehre.«
    Schon wollte ich verneinen, als mich eine vorbeihuschende Erinnerung zögern ließ. Dieses Profil, levantinisch, die Nase, die Augen ... der Mann natürlich in anderer Kleidung, ein dunkler Anzug mit silbernen Streifen, ein Rohrstock mit goldenem Knopf, Gamaschen, auf einer Auktion, durch einen Agenten vertreten ...
    »Du hast ihn also schon gesehen?« George kam auf mich zu. Er sah mich mit leuchtenden Augen an. »Ich auch, Charles. Ich habe ihn auch schon gesehen.«
    Ich winkte ab.
    »Ich bin nicht sicher, George, bestimmt nicht.« Aber der Zweifel blieb, und es war merkwürdigerweise nicht Leonardos Ahasver, den ich vor mir sah, sondern jener Mann, der mir irgendwo und irgendwann einmal begegnet war. Plötzlich fuhr ich auf und starrte George an. »Donnerwetter, George, wenn deine verrückte Idee wirklich den Tatsachen entspricht, dann muß dieser Mann ja mit Leonardo gesprochen, ihn gekannt haben! Und Michelangelo, Tizian, Rembrandt ...«
    George
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