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Magazine of Fantasy and Science Fiction 09 - Die Kristallwelt

Magazine of Fantasy and Science Fiction 09 - Die Kristallwelt

Titel: Magazine of Fantasy and Science Fiction 09 - Die Kristallwelt
Autoren: V.A.
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irgendeiner Bewegung Ausschau zu halten, dann überquerte er die gefrorene Oberfläche des Flusses mit einem gewaltigen Schritt. Hoch über ihm schwang sich eine Goldamsel in den Himmel. Sie leuchtete wie eine kleine Sonne.
    »Marquand!«
    Ein Schuß gellte auf, die Glasbäume warfen das Echo zurück, und der blonde Captain raste auf das Sommerhaus zu, in der Hand eine Pistole. Er schoß noch einmal, und die Kristallgitter über den Moosgehängen zersplitterten und fielen in sich zusammen. Der bärtige Mann sprang von der Veranda und lief quer über den Fluß davon.
    Die Schnelligkeit, mit der all dies geschehen war, ließ mich regungslos am Rande der Lichtung verweilen. Die Explosionen hallten in meinen Ohren nach. Ich suchte mit den Blicken den Wald nach irgendeinem Zeichen von meinem Gefährten ab, und dann stand der Captain plötzlich auf der Veranda und winkte mich mit seiner Pistole heran.
    »Kommen Sie her!« Als ich mich zögernd näherte, kam er die Stufen herunter und betrachtete mich mißtrauisch. »Was haben Sie hier zu tun? Gehören Sie nicht zum Inspektionsteam?«
    Ich erklärte ihm, daß ich seit dem Absturz des Hubschraubers im Wald gefangen war. »Können Sie mich zurück zu dem Militärposten bringen? Ich laufe schon den ganzen Tag im Wald umher.«
    Mürrisch verzog er das Gesicht. »Bis zum Militärposten ist es weit. Der Wald ändert sich ständig.« Er deutete gegen den Fluß hin. »Und Marquand? Wo haben Sie ihn getroffen?«
    »Den bärtigen Mann? Er hat Schutz in einem Haus nahe dem Fluß gesucht. Warum haben Sie auf ihn geschossen? Ist er ein Verbrecher?«
    Shelley nickte langsam. Er wirkte irgendwie unentschlossen. »Noch schlimmer als das. Er ist völlig verrückt.« Er machte sich daran, die Treppe wieder hinaufzugehen, anscheinend dachte er nicht daran, mir den Weg zu weisen. »Sie nehmen sich besser in acht, man weiß nie, wie der Wald sich noch verändern wird. Bleiben Sie immer in Bewegung, aber passen Sie gut auf, sonst verlaufen Sie sich.«
    »Warten Sie!« rief ich ihm nach. »Kann ich mich hier etwas ausruhen? Ich brauche eine Karte – vielleicht haben Sie eine für mich übrig?«
    »Eine Karte? Wozu soll die gut sein?« Er hielt zögernd inne, bevor er sagte: »Na schön, Sie können für fünf Minuten hereinkommen.« Anscheinend fiel es ihm schwer, diese Einladung auszusprechen.
    Das Sommerhaus bestand aus einem großen Raum und einer kleinen Küche dahinter. Vor den Fenstern waren schwere Läden angebracht, und nur durch die Tür fiel Licht herein.
    Shelley steckte die Pistole in die Tasche und drückte vorsichtig die Klinke nieder. Ich konnte ein großes Bett erkennen. Es war an den Pfosten verschnörkelt und mit kostbaren Schnitzereien versehen.
    »Mrs. Shelley«, erklärte der Captain leise. »Es geht ihr nicht gut.«
    Einen Augenblick starrten wir auf die Frau im Bett, die auf einem großen Satinpolster lag; ihre schmale Hand hing schlaff an der Seite herunter. Zuerst glaubte ich, eine ältere Frau zu sehen, vielleicht die Mutter des Captains, dann aber bemerkte ich, daß sie nicht viel älter als Anfang zwanzig sein konnte. Ihr langes platinfarbenes Haar lag wie ein weißer Schal um ihre Schultern, ihre Wangen waren tief eingefallen. Sie mußte einmal sehr schön gewesen sein, aber jetzt war ihre Haut eingeschrumpft, und der blasse Schimmer ihrer halbgeschlossenen Augen ließ sie früh gealtert erscheinen und erinnerte mich an meine eigene Frau, so wie ich sie in den letzten Minuten vor ihrem Tode gesehen hatte.
    »Shelley.« Ihre Stimme war ein wenig heiser. »Shelley, es wird kalt. Kannst du kein Feuer anmachen?«
    »Das Holz brennt nicht, Emerelda. Es ist alles in Glas verwandelt.« Der Captain stand am Fußende des Bettes, die Mütze in der Hand, und blickte auf sie hinab. Dabei stand er so aufrecht, als wäre er im Dienst. Er machte den Reißverschluß seiner Lederjacke auf. »Hier, das habe ich dir mitgebracht, es wird dir guttun.«
    Er beugte sich vor, um mir die Sicht zu verdecken, und dann ließ er eine Handvoll roter und blauer Edelsteine auf das Bett fallen. Rubine und Saphire verschiedener Größen. Sie glitzerten in dem fahlen Licht in tausend Farben.
    »Ich danke dir, Shelley ...« Die Frau ergriff gierig die Steine. Sie umklammerte die Steine, führte sie zum Hals und preßte sie fest an ihre Haut. Die Berührung mit den Steinen schien sie neu zu beleben, sie bewegte sich ein wenig, und einige der Juwelen fielen auf den Boden.
    »Auf wen hast du geschossen,
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