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Magazine of Fantasy and Science Fiction 09 - Die Kristallwelt

Magazine of Fantasy and Science Fiction 09 - Die Kristallwelt

Titel: Magazine of Fantasy and Science Fiction 09 - Die Kristallwelt
Autoren: V.A.
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feinen blutroten Blüten, die das Loch in seiner Brust umgaben, sahen wie wundersame Unterwasserpflanzen aus. Neben ihm schlief Emerelda, die leichte Bewegung ihres Herzens ließ ihren Körper in einem zarten bernsteinfarbenen Glühen erscheinen, ein schwacher Überrest des Lebens.
    Hinter mir glitzerte etwas auf. Ich wandte mich um und sah eine leuchtende Schimäre, einen Mann mit weißglühenden Armen und Brust, der zwischen den Bäumen dahinraste und eine Kaskade verstreuter Teilchen in der Luft hinter sich herzog. Ich zuckte zurück, aber er verschwand so plötzlich, wie er aufgetaucht war, zwischen den Kristallgewölben. Als die leuchtende Erscheinung schon lange verschwunden war, hörte ich noch das Echo seiner Stimme in der frostigen Luft, die klagenden Worte schienen, wie alles in dieser umgewandelten Welt, zu Kristallperlen zu werden.
    »Emerelda ...! Emerelda ...!«
     
    *
     
    Hier, auf der stillen Insel von Puerto Rico, im Garten der Britischen Botschaft, in dem ich mich jetzt, wenige Monate später, befinde, scheinen die seltsamen Ereignisse jener gespenstischen Welt weit, weit entfernt. Und doch liegen nicht mehr als tausend Meilen zwischen mir und Florida, und inzwischen haben sich die drei Fokalebenen schon weiter ausgedehnt. Irgendwo habe ich einen Bericht gelesen, daß bei der gegenwärtigen Schnelligkeit des Fortschritts wenigstens ein Drittel der Erdoberfläche gegen Ende der nächsten Dekade betroffen sein wird, eine Reihe von Hauptstädten der Welt werden unter Schichten von Kristallen begraben sein, wie es mit Miami schon geschehen ist – einige Journalisten haben diesen schon aufgegebenen Teil als eine Stadt aus tausend Kathedralen beschrieben.
    Ich muß jedoch zugeben, daß mir diese Aussicht wenig Sorge bereitet. Mir erscheint es ganz offensichtlich, daß die Herkunft des Hubble-Effekts mehr als physikalischer Natur ist. Als ich aus dem Wald taumelte und zehn Meilen von Maynard entfernt auf einen Militärposten stieß – zwei Tage, nachdem ich das hilflose Phantom, das einst Charles Marquand gewesen war, gesehen hatte –, das goldene Kreuz fest mit den Armen umklammernd, hatte ich mir geschworen, die Everglades nie wieder zu besuchen. Durch eine jene lächerlichen Umkehrungen der Logik fand ich mich, weit davon entfernt, zum Helden gestempelt zu werden, vor einem Militärgericht wieder, angeklagt der Plünderei. Die Juwelen waren vom Kreuz verschwunden, und vergeblich versuchte ich zu erklären, daß diese Steine der Preis für mein Überleben waren. Endlich wurde ich durch die Britische Botschaft in Washington gerettet, die mich unter diplomatischen Schutz stellte, aber mein Vorschlag, daß eine Patrouille, ausgerüstet mit Juwelenkreuzen, den Wald durchsuchen sollte, um den Priester und Charles Marquand zu retten, hatte keinen Erfolg. Trotz meiner Proteste schickte man mich nach San Juan, damit ich mich hier erholte.
    Die Absicht meiner Vorgesetzten war es, daß ich auf diese Weise das Erlebte vergessen sollte – vielleicht hatten sie eine Veränderung an mir bemerkt. Aber jede Nacht gleitet über mir die Scheibe des Echo-Satelliten dahin und erleuchtet den Mitternachtshimmel wie ein silberner Kronleuchter. Und ich bin davon überzeugt, daß die Sonne selbst begonnen hat, aufzublühen. Bei Sonnenuntergang, wenn ihre Scheibe von rötlichem Dunst verhangen ist, scheint sie mit einem klar zu erkennenden Gitterwerk bedeckt zu sein, einem riesigen Netz, das sich eines Tages nach außen, gegen die Planeten und Sterne hin, ausdehnen und sie in ihrer Bewegung aufhalten wird.
    Ich weiß jetzt, daß ich zu den Everglades zurückkehren werde. Wie das Beispiel des mutigen Priesters beweist, der mir das Kreuz gegeben hat, liegt in jenem eingefrorenen Wald eine unbeschreiblich große Verheißung verborgen. Dort in den Sumpfsteppen findet die Umwandlung aller lebenden und toten Materie direkt vor unseren Augen statt, und für die Preisgabe unserer physischen Identität erhalten wir die Unsterblichkeit.
    Wenn ich wieder völlig gesund sein und nach Washington zurückkehren werde, werde ich eine Gelegenheit wahrnehmen, die Halbinsel von Florida wieder zu besuchen – zusammen mit einer der vielen wissenschaftlichen Exkursionen. Es sollte nicht schwierig sein, meine Flucht zu arrangieren, und dann werde ich zu der einsamen Kirche in jener wunderbaren Welt zurückkehren, in der bei Tag phantastische Vögel durch die versteinerten Wälder fliegen und mit Juwelen besetzte Alligatoren wie gepanzerte
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