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Magazine of Fantasy and Science Fiction 05 - Die Esper greifen ein

Magazine of Fantasy and Science Fiction 05 - Die Esper greifen ein

Titel: Magazine of Fantasy and Science Fiction 05 - Die Esper greifen ein
Autoren: V.A.
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glättend über ihr schwarzes Haar, das sie im Nacken zu einem Knoten verschlungen trug. »Geh hinaus in den Garten und überzeuge dich selbst. Hier gibt es kein Wasser.«
    »Aber Liebling – ich habe es selbst gesehen!«
    »Richard ...!«
    Mason stand auf und hob bedächtig die Hände. »Ich habe die Gischtflocken auf meinen Händen gespürt, Miriam. Die Wellen umspülten meine Füße. Ich habe das alles nicht nur geträumt.«
    »Doch, du mußt es geträumt haben.« Miriam lehnte sich gegen die Tür, als wollte sie die seltsame Traumwelt ihres Mannes, die in ihr Schlafzimmer eindrang, ausschließen. Mit dem dicken langen Haar, das ihr schmales Gesicht umrahmte, und dem roten Morgenrock, der ihren schlanken Nacken freigab, erinnerte sie Mason an eine Prä-Raphaelitische Heroine. »Du mußt Dr. Clifton aufsuchen, Richard. Ich beginne mich zu fürchten.«
    Mason lächelte. Seine Augen glitten über die entfernten Dächer hinter den Baumwipfeln. »Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Die Sache ist ganz einfach. In der Nacht höre ich das Brausen des Meeres, das sich die Straßen entlangwälzt; ich gehe hinaus und beobachte, wie die Wellen im Mondschein spielen, dann komme ich wieder zurück ins Bett.« Er hielt inne, auf seinem hageren Gesicht zeichnete sich Müdigkeit ab. Mason war hochgewachsen und sehr mager, er hatte sich noch immer nicht völlig von der Krankheit erholt, die ihn seit sechs Monaten zwang, zu Hause zu bleiben. »Es ist merkwürdig«, fügte er nach einer Weile hinzu, »das Wasser hat eine bemerkenswerte Leuchtkraft. Ich schätze, daß der Salzgehalt weit über dem Normalmaß liegt.«
    »Aber, Richard ...« Miriam blickte hilflos um sich, die Gelassenheit ihres Mannes erschreckte sie. »Die See ist nicht wirklich da – sie existiert nur in deiner Phantasie. Außer dir kann sie niemand sehen.«
    Mason nickte, die Hände tief in die Taschen vergraben.
    »Vielleicht hat sie bis jetzt nur noch niemand gesehen.«
    Er verließ das Frühstückszimmer und ging in seinen Arbeitsraum. Die Couch, auf der er während seiner Krankheit geschlafen hatte, stand noch immer in der Ecke neben dem Büchergestell. Mason setzte sich und nahm ein großes fossiles Muschelgehäuse aus dem Regal. Während des Winters, als er an das Bett gefesselt gewesen war, hatte ihm die weich geschwungene, trompetenförmige Schale mit ihren unzähligen Beziehungen zu alten Meeren und überspülten Küsten ein unbeschreibliches Vergnügen bereitet – ein unerschöpfliches Füllhorn von Vorstellungen und Träumereien. Er hielt das Fossil behutsam in der gewölbten Hand, wie eine zerbrechliche griechische Skulptur. Es kam ihm wie eine Zeitkapsel vor, die Inkarnation eines anderen Universums, und fast glaubte er, daß die mitternächtliche See, die ihn bis in seinen Schlaf verfolgte, aus dieser Schale entwichen war, als er einmal ein wenig von der Schneckenlinie abgekratzt hatte.
    Miriam folgte ihm ins Zimmer und zog mit einem Ruck die Vorhänge auf, als wäre ihr bewußt, daß er in die Zwielichtwelt seines Krankenbettes und der Leselampe zurückkehren wollte. Sie faßte ihn bei den Schultern.
    »Hör mich an, Richard. Wenn du heute nacht wieder die Wellen nahen hörst, dann wecke mich, und wir werden zusammen hinausgehen.«
    Sanft machte sich Mason von ihr los. »Ob du es siehst oder nicht, Miriam, das ist völlig belanglos. Tatsache ist, daß ich es sehe.«
     
    Ein wenig später ging Mason die Straße entlang bis zu der Stelle, an der er in der vorhergehenden Nacht gestanden und die Wellen auf sich zukommen gesehen hatte. Aus den Häusern, die überspült gewesen waren, hörte er die vertrauten Alltagsgeräusche. Das Gras der Rasenflächen war von der Julihitze gebleicht, hier und da rotierten Sprühanlagen im gleißenden Sonnenlicht und malten vielfarbige Regenbogen in die Luft. Seit den Frühjahrsstürmen unberührt, lag der Staub des langen Sommers unbeweglich zwischen den Zaunlatten.
    Die Straße, eine der Dutzend Vorortboulevards der Stadt, führte ein paar hundert Meter gegen Nordwesten und mündete dann in den Platz mit den Verkaufszentren dieser Gegend. Mason hielt eine Hand über die Augen und blickte zur Turmuhr der Bibliothek und zum Kirchturm und erkannte die Umrisse, die sich aus den flacheren Wellen des Meeres erhoben hatten. Alle befanden sich genau an den Stellen, an denen er sie in Erinnerung hatte.
    Kurz vor dem Platz fiel die Straße nach unten ab, und durch einen seltsamen Zufall kennzeichnete sie somit auch die
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