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Magazine of Fantasy and Science Fiction 05 - Die Esper greifen ein

Magazine of Fantasy and Science Fiction 05 - Die Esper greifen ein

Titel: Magazine of Fantasy and Science Fiction 05 - Die Esper greifen ein
Autoren: V.A.
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bunte Dosen mit echten Suppen wachzurütteln. Das Poltern wurde leiser. Dann ertönte das letzte Zuschlagen einer Tür.
    Und endlich ging die Tür zum Gang auf. Die beiden Eheleute blickten ihn nicht an, als er heraustrat. Er wußte, weshalb und hätte sie gern bei den Ellbogen genommen.
    »Selbst ich«, sagte er sanft. »Selbst ich war versucht, mich auszuliefern, die Belohnung zu fordern, die Suppe zu essen ...«
    Noch immer blickten sie ihn nicht an.
    »Warum haben Sie mich nicht übergeben?« fragte er. »Warum?«
    Der Mann nickte seiner Frau zu, als erinnerte er sich gerade an etwas. Sie ging zur Tür, zögerte, und als der Mann ihr noch einmal ungeduldig zunickte, huschte sie geräuschlos hinaus. Sie hörten sie den Flur entlanghasten, verstohlen an Türen klopfen, die sich öffneten und wieder schlossen. Verstohlenes Gemurmel ertönte und verstummte wieder.
    »Was tut sie? Was haben Sie mit mir vor?« fragte der alte Mann.
    »Das werden Sie gleich sehen. Setzen Sie sich. Essen Sie fertig«, antwortete der Mann. »Sagen Sie mir, warum Sie solch ein Narr sind, der uns selbst zu Narren macht – so daß wir ihn suchen, ihn hierherbringen?«
    »Warum ich ein solcher Narr bin?« Der alte Mann setzte sich. Langsam aß er eine Erbse nach der anderen auf. »Ja, ich bin ein Narr. Wie es anfing? Vor Jahren schon blickte ich auf die zerstörte Welt, auf die Diktatoren, auf die ausgedörrten Landstriche, und sagte mir: Was kann ich tun? Ich, ein schwacher alter Mann! Aus der Verwüstung neu aufbauen? Ha! Aber als ich eines Nachts im Halbschlaf lag, ertönte in meinem Kopf das Lied einer alten Schallplatte. Zwei Schwestern, die Schwestern Duncan, sangen ein Lied aus meiner Jugend: ›Was bleibt, ist die Erinnerung. Ach, denk auch du zurück!‹ Ich sang dieses Lied, und plötzlich war es kein Lied mehr, sondern eine Lebensaufgabe. Was konnte ich einer Welt bieten, die zu vergessen begann? Meine Erinnerung. Wie das helfen sollte? Indem man zu Vergleichen herausfordert. Indem man den Jungen erzählt, was einmal war, indem man über die Verluste nachdenkt. Je mehr ich mich meinen Erinnerungen hingab, an um so mehr Dinge konnte ich mich erinnern. Je nachdem, mit wem ich zusammensaß, erinnerte ich mich an Plastikblumen, Wählscheiben von Telefonen, Kühlschränke, Fingerhüte, Hosenklammern zum Fahrradfahren, nicht an Fahrräder, o nein, an Hosenklammern, die man beim Fahren ansteckte! Ist das nicht höchst seltsam? Erinnern Sie sich auch noch daran? Macht nichts. Einmal bat mich ein Mann darum, von den Knöpfen am Armaturenbrett eines Cadillac zu sprechen. Ich tat es. Ich zählte ihm jede Einzelheit auf. Während er lauschte, weinte er dicke Tränen. Glückliche Tränen? Oder traurige? Ich kann es nicht sagen. Ich erinnere mich einfach. Nicht an Literatur, und solche Dinge, nein; für Schauspiele und Gedichte hatte ich nie was übrig – sie vergehen, sterben. Ich bin nichts als ein Reservoir des Mittelmäßigen, des Drittklassigen einer Zivilisation, die über einen Abgrund gerast ist. Alles, was ich zu bieten habe, ist funkelnder Tand, schreiendes Chrom – die absurden Produkte eines endlosen Heeres von Robotern und Robotbesessenen. Trotzdem, auf die eine oder andere Weise muß die Zivilisation wieder auf den alten Pfad gelangen. Diejenigen, die ein Lied kennen, sollen sich daran erinnern, sollen davon sprechen. Diejenigen, die Teppiche knüpfen können, sollen sie knüpfen. Diesen Fähigkeiten gegenüber ist meine Gabe unbedeutend. Und die Dinge, von denen ich berichte – was bedeuten sie schon auf dem Weg zu den Höhen der Kultur? Aber meine Träume sollen mich allmählich nun zum Wertvollen, zum Brauchbaren bringen. Ob die Dinge unwichtig sind oder nicht – wenn sich die Leute daran erinnern, werden sie sie auch wieder suchen. Ich werde ihre halberloschenen Wünsche mit neuer Glut schüren. Dann werden sie vielleicht das große Gebäude wieder aufbauen – die Stadt, den Staat, die ganze Welt. Soll sich der eine Wein wünschen, der andere Lehnsessel, ein dritter Fledermausflügel, um auf den Marswinden dahinzugleiten. Irgend jemand möchte Weihnachtsbäume haben, und ein anderer geht hin und hackt welche ab. Ich will mithelfen, den Wagen ins Rollen zu bringen, indem ich ihn öle, und das tue ich gründlich. Oh, früher einmal hätte ich ausgerufen: ›Nur das Beste ist gut genug, nur Qualität zählt!‹ Aber Rosen wachsen auf Blutdünger. Mittelmäßigkeit muß sein, damit das Erhabene blühen und gedeihen kann.
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