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Märchenkranz für Kinder - Märchen der Welt ; 67

Märchenkranz für Kinder - Märchen der Welt ; 67

Titel: Märchenkranz für Kinder - Märchen der Welt ; 67
Autoren: JazzyBee Verlag Jürgen Beck
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den Muth haben, mich zu tödten, da ich Euch niemals das mindeste zu Leide gethan habe? Und womit habe ich denn den Haß meines Vaters verschuldet, daß er mich will umbringen lassen? Bin ich ihm nicht immer gehorsam gewesen, und ihm mit Liebe und Ehrfurcht entgegen gekommen?«

     
    »Ich kenne Euch nicht anders,« erwiederte der Hauptmann, »als eine gute, folgsame und liebevolle Tochter, und wenn es auf mich ankäme, so sollte Euch nichts Leides geschehen; aber dem Befehl Eures Vaters darf ich nicht entgegen handeln – Ihr müßt sterben!« Bei diesen Worten sank die Prinzessinn ohnmächtig zur Erde. Der Hauptmann aber, der lieber sein eigenes Leben verlieren wollte, als einen so grausamen Befehl auszuführen, entfernte sich in der größten Eile, und überbrachte dem Könige die Zunge und das Herz eines geschlachteten Thieres, ohne daß dieser den Betrug gemerkt hätte.

     
    Als die Prinzessinn aus ihrer Ohnmacht erwachte, sah sie sich ganz allein im Walde, und beschloß sogleich, sich so weit wie möglich von dem Schlosse ihres Vaters zu entfernen, und sich seinen Nachforschungen zu entziehen.

     
    Sie eilte mit starken Schritten durch den Wald; aber der Wald war groß, die Sonne glühte, und Furcht und Müdigkeit hatten sie so ergriffen, daß sie nicht weiter konnte. Sie sah sich allenthalben um, aber nirgends entdeckte sie einen Ausgang; der Wald ward immer dichter, und die Angst der Prinzessinn stieg immer höher.

     
    Endlich hörte sie das Blöken eines Schaafes. »Dem Himmel sey gedankt,« sagte sie, »ganz gewiß weidet ein Schäfer in der Nähe, der mir den Weg nach dem nächsten Dorfe zeigen kann.«

     
    In dieser frohen Hoffnung nahm sie alle ihre Kräfte zusammen, und kam auch bald an die Stelle, wo sie das Schaaf hatte blöken hören. Aber wie groß war ihr Erstaunen, als sie sich mit einem Male auf einer geräumigen Wiese fand, welche rund herum mit Bäumen umgeben war, und als ihr sogleich ein großer Widder in die Augen fiel, dessen Hörner vergoldet und mit Kränzen behangen waren. Um seinen Hals war eine Kette von Diamanten und Perlen geschlungen; Orangenblüthen waren sein Lager, und über ihm war ein seidenes Zeltdach ausgespannt, das ihn gegen die Strahlen der Sonne schützte. Hundert geputzte Widder und Schaafe standen rings um ihn, welche zum Theil goldene Halsbänder trugen, und mit wunderschönen Blumen reich geschmückt waren.

     
    Die Prinzessinn blieb bei diesem Anblicke wie versteinert stehen. Sie suchte mit ihren Augen den Schäfer dieser außerordentlichen Heerde, als der schöne Widder hüpfend auf sie zukam, und zu ihr sagte: »Nähere Dich, holde Prinzessinn, und fürchte dich nicht vor uns friedfertigen Geschöpfen.«

     
    Hulda wußte nicht, wie ihr geschah, als sie den Widder, gleich einem Menschen, sprechen hörte. Indessen merkte sie bald, daß es kein gewöhnlicher Widder seyn könne, sondern daß er verzaubert seyn müsse. Sie faßte also Muth, und als der Widder sie fragte, woher sie käme, und was sie suche, antwortete sie ganz dreist: »Mein Vater hat mich verstoßen, und ich suche eine Freistatt vor seinem Zorne.«

     
    »So komm denn mit mir,« sagte darauf der Widder; »ich biete Dir eine Freistatt an, wo Dich niemand entdecken wird, und wo Du ganz ungestört leben kannst.«

     
    »Ach! ich kann Dir nicht folgen,« antwortete die Prinzessinn, »ich bin so müde, daß meine Füße mir ihren Dienst versagen.«

     
    Der Widder mit den goldenen Hörnern befahl nun, einen Wagen zu holen. Sogleich erschienen sechs Ziegen, die an einen hohlen Kürbis von ungeheurer Größe angespannt waren. Die Prinzessinn setzte sich hinein, und der Widder neben sie, worauf die Ziegen nach einer Höhle zuflogen, deren Eingang mit einem großen Steine verschlossen war.

     
    Der Widder berührte diesen Stein, und die Thür öffnete sich. Er bat die Prinzessinn, hineinzugehen, und diese that es sogleich: denn sie hätte sich wohl, aus Furcht vor den Verfolgungen ihres Vaters, in einen Brunnen gestürzt.

     
    Der Widder führte sie immer tiefer und tiefer hinein, bis auf ein Mal eine weite Ebene, mit den mannigfaltigsten Blumen geschmückt, sich vor ihnen ausbreitete. Sie war von einem breiten Strome von Orangenwasser umgeben, und auf allen Seiten sprangen Quellen von den köstlichsten Weinen hervor, und bildeten Cascaden und liebliche Bäche. Bäume von der sonderbarsten Art bedeckten die Ebene, und trugen die köstlichsten Früchte, an einigen Stellen sogar Zuckerwerk und andere
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