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Männerlügen - warum Frauen immer die Wahrheit wissen wollen und Männer behaupten, dass es die gar nicht gibt

Männerlügen - warum Frauen immer die Wahrheit wissen wollen und Männer behaupten, dass es die gar nicht gibt

Titel: Männerlügen - warum Frauen immer die Wahrheit wissen wollen und Männer behaupten, dass es die gar nicht gibt
Autoren: dtv
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sie ihren Zorn verbergen könnte, dreht sich Véronique zu mir um. Ihre Stimme klingtscharf. »Keine Stelle mehr, nirgendwo! Ich nehme nun das in Besitz, worauf ich jahrzehntelang verzichten musste.«
    »
Le Minotaure?
«
    Véronique nickt. »Saskia hat es mir im Fall des Ablebens von Antal vermacht.«
    »Großzügig.«
    »Großzügig??!! Es war die Abmachung und es war das Mindeste.«
    »Das Mindeste? Wovon?«
    »Sie haben keine Ahnung, Monsieur. Sie berauschen sich am Charme der Lügen, an der Eleganz der Täuschungen, am Phantasiereichtum des Betrugs …«
    »… immerhin waren Saskia und Anselm mit ihren Lebenslügen glücklicher als viele, die sich mit dem Messer der Wahrheit zerfleischen.«
    »Aber schlussendlich siegt sie immer, die Wahrheit. Und Sie haben nichts verstanden, bevor Sie sie nicht kennen. Wollen Sie die Wahrheit hören?«
    »Wenn sie nicht langweiliger als die Lüge ist.«
    Véronique übergeht meinen Zynismus, sie will was loswerden. »Die erste Wahrheit ist, dass ich auch einmal eine
plongeuse d’épave
war …«
    »Sie?«
    »Ja, ich. Ich war eine Schönheit damals, als ich Mitte 20 war. Und ich wollte mit dieser Schönheit etwas anfangen. Doch das brauchte Zeit. Wir Wracktaucherinnen sind ja wie die Zecken, die manchmal über Jahre auf Bäumen und Büschen warten müssen, bis ein Tier vorbeikommt, auf das sie sich fallen lassen können, um sich dann mit seinem Blut vollzusaugen. Es ist ein riskantes und langwieriges Geschäft und das genaue Gegenteil des Heiratsschwindels. Wir täuschen keine Ehe vor, wir täuschen durch Ehe. Deshalb kennen sich Wracktaucherinnenuntereinander und stecken ihre Claims ab. Es gibt die sportlichen, die musischen, die Business-Hyänen, die adligen und die bäuerlichen, es gibt sie in allen Farben und Bildungsgraden.«
    »Zu welcher Sorte gehörten Sie denn, Véronique?«
    »Wie Saskia, mit der ich mich damals befreundet hatte, zu den musischen. Die zweite Wahrheit ist: Lichte war ursprünglich mein Claim gewesen …«
    »… Saskias späterer Mann?«
    »Der Erbauer von
Le Minotaure
, ja. Ich hatte ihn ausgespäht und mir reserviert, als ich plötzlich schwere Schuppenflechte bekam, die auch noch chronisch wurde. Ich war entstellt und damit aus dem Rennen. Der Weg war frei für Saskia. Da ich vor dem Nichts stand, engagierte mich Saskia als Haushälterin. Hier.«
    Sie hat ihr Portemonnaie aus der Handtasche geholt, klappt es nun auf und zeigt mir das leicht abgewetzte Foto einer jungen, versonnen dreinblickenden Schönheit.
    »Das sind Sie, Véronique?«
    »Das war ich.«
    Das Schiffshorn der Barkasse reißt mich aus der Betrachtung. Während er den Motor drosselt, deutet der Mann am Steuer an, dass wir nun an der gewünschten Position angekommen seien. Das Kreuzfahrtschiff, dem wir dabei sehr nahe gekommen sind, antwortet ebenfalls mit einem Hornsignal, das zahlreiche verschlafene Passagiere auf den verschiedenen Decks auf uns aufmerksam werden lässt.
    »Jetzt hat er doch noch seinen letzten Auftritt vor großem Publikum.«
    »Das nicht ahnt, dass es dem Ende einer Epoche zusieht«, ergänzt Véronique.
    Ich öffne die Urne und kippe mit einer langsamen, Feierlichkeit andeutenden Bewegung Anselms Asche ins Meer, das andieser Stelle besonders schwarz wirkt. Manche der leichten, tänzelnden Wellen reflektieren die ersten schräg einfallenden Sonnenstrahlen, so dass es aussieht, als heiße ihn Saskia da unten mit einem kleinen Feuerwerk willkommen. Wir blicken den in die Tiefe trudelnden Aschepartikeln nach.
    »Solange es die Liebe gibt, wird es das Geschäft mit ihr geben. Wieso soll er also der Letzte seiner Art gewesen sein?«, frage ich Véronique, während ich weiter in die Tiefe starre.
    »Heute läuft das Lügen- und Betrügengeschäft digital. Der da«, und Véronique deutet mit ihrem langen Kinn in die Tiefe, »war noch analog. Wie diese Region hier, die auch analog ist. Wenn es eine Geographie der Lüge gäbe, stünde hier zwischen Monte Carlo und Saint Tropez der Mount Everest. Aber eben der analogen Lügen.«
    »Schönes Bild, Véronique.«
    »Machen Sie sich keine Illusionen, Monsieur, auch dieser Teil Europas wird auf dem Abfallhaufen der Geschichte landen, genauso wie Ihre DDR damals. Er wird nur besser riechen.«
    Ich unterdrücke ein Lachen, das ich dem Anlass nicht entsprechend finde. Doch dann will es raus und ich denke mir, Anselm hätte sicherlich nichts dagegen gehabt. Plötzlich scheine ich Véronique angesteckt zu haben. Lachend sehen wir uns
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