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Maenner und andere Fleischwaren

Maenner und andere Fleischwaren

Titel: Maenner und andere Fleischwaren
Autoren: Paula Fabian
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– ha, ha, kommt –, nervt es mich allerdings manchmal schon, direkt vor meiner Nase mitzuerleben, wie ein knackiger Kerl nach dem nächsten durchs Treppenhaus stiefelt. Nicht, dass ich mit meinen kurzen rötlichen Haaren und einer 08/15-Figur nicht auch den einen oder anderen Mann für mich interessieren könnte. Nur die Tür rennen sie mir nicht ein. Aber mal ehrlich, wer will auch schon ständig Hunderte von Typen auf der Fußmatte rumlungern haben? Und außerdem: Bettina würde mir bei akutem Bedarf auch gern und jederzeit einen ihrer Galane ausleihen, hat sie jedenfalls mal behauptet. So weit geht es aber dann doch noch nicht – tausche Korkenzieher gegen Koitus, also nein.
    Ich schnappe mir mein Bürgerliches Gesetzbuch und fläze mich aufs Sofa. Seit ich dem Jurastudium adieu gesagt habe, interessieren mich Paragraphen mehr denn je. Außerdem macht es auf meinen Chef Herrn Paslewski unheimlich Eindruck, wenn ich die Beschwerde eines Kunden mit einem knackigen »Bei Frischwaren besteht leider nicht die Möglichkeit zur Minderung oder Wandlung« abwehren kann. Auch wenn’s wahrscheinlich überhaupt nicht stimmt. Klingt auf alle Fälle gut.
    »Ohhh, ja … uuhm …« Es ist so weit! Bettina hat die Exposition hinter sich gelassen, das Hauptthema eingebracht und widmet sich jetzt der Durchführung. Zusammen mit Reprise und Finale wird es jetzt etwa eine Stunde dauern, bis ich wieder meine Ruhe habe. Jedenfalls wünsche ich das Ali. Wenn es schneller geht, wird Bettina ihn wütend vor die Tür setzen. Aber so, wie es klingt, hat er gute Karten, auch noch die Nacht über bleiben zu dürfen.
    »Oh, ja, mach’s mir!«
    »Ja, ich mach’s dir!«
    »Oh, ja, mach’s mir!«
    »Ja, ich mach’s dir!«
    »Oh, ja, mach’s mir!«
    »Ja, ich mach’s dir!«
    Und was mache ich? Ich denke an Fleischwurst.
     
    ***
     
    Um neun Uhr döse ich trotz anhaltenden Beischlaflärms weg. Und tatsächlich träume ich sofort von IHM. Er steht neben mir und blickt mich liebevoll an, während ich versonnen lächelnd die Aufschnittmaschine reinige. Seine Hände streichen mir sanft übers Haar, er beugt sich vor und gibt mir einen Kuss in den Nacken. Gerade, als ich mich zu ihm umdrehe und ihm ein Stückchen Wurst in den Mund schieben möchte, klingelt das Telefon. Verwundert schaue ich mich um – vorne im Verkaufsraum gibt es doch gar kein Telefon! Das steht hinten im Büro, und da geht normalerweise Herr Paslewski ran. Trotzdem klingelt es weiter, direkt neben meinem Ohr. Zehn Sekunden später werde ich endgültig aus meinen Träumen gerissen, als mein Anrufbeantworter anspringt und nach dem Ansagetext die Stimme meiner Mutter erklingt.
    »Franzi, Schätzchen, geh doch bitte dran, wenn du da bist!« Ich angle nach dem Telefon, das rechts unten neben meinem Sofa steht.
    »Hallo, Mama.«
    »Ach, schön, du bist ja doch da.«
    »Ich war eingeschlafen, deshalb bin ich nicht gleich drangegangen«, erkläre ich.
    »Warst du so müde, mein Schatz?«, fragt meine Mutter in mitfühlendem Tonfall. »Ich sage dir ja, die Arbeit in der Metzgerei ist nichts für dich, das ist viel zu anstrengend. Den ganzen Tag stehen …« Damit hat meine Mutter wieder einen perfekten Übergang zu ihrem Lieblingsthema gefunden: Warum muss ausgerechnet meine missratene Tochter in einer Fleischerei arbeiten? Ich lasse die üblichen Kummer- und Sorgenbekundungen über mich ergehen, werfe hier und da ein »hmm« ein und hoffe ansonsten, dass sie bald ans Ende kommt.
    »Also, überleg es dir noch einmal, Schatz, ja?«, schließt sie nach zehn endlosen Minuten ihren Vortrag über die Vorteile eines Studiums im Allgemeinen und die Nachteile meiner Arbeit im Besonderen.
    »Ja, klar, okay«, lüge ich und lege auf. Seit drei Monaten geht das nun schon fast jeden Abend so, aber mit der Zeit härtet man ab. Soll sie ruhig allen weiter von meiner wichtigen Forschungsarbeit erzählen, wenn es sie glücklich macht.
    Also, wo war ich? Ach ja, richtig, ich hatte gerade einen sehr angenehmen Traum gehabt. Schnell schließe ich die Augen, in der Hoffnung, dass er wiederkommt. Aber es ist mir nicht vergönnt, in Ruhe meinen Gedanken nachzuhängen, jetzt klingelt es an der Tür. Fluchend stehe ich auf. Erst muss ich mir Bettinas »ahs« und »ohs« anhören, dann die Schwarzmalereien meiner Mutter, und bei meinem Glück steht jetzt der Langweiler Florian vor der Tür und will »nur mal schnell hallo sagen«.
    »’n Abend, Franzi, ich wollte nur mal schnell hallo sagen!« Aaaaah !
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