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Maedchengrab

Maedchengrab

Titel: Maedchengrab
Autoren: Ian Rankin
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er an diesem Tag bislang zwölf geraucht hatte. Das war gar nicht so schlecht. Früher hätte er um diese Zeit das erste Päckchen längst aufgeraucht und schon ein neues an gebrochen. Er trank auch nicht mehr so viel: zwei Bier am Abend und vielleicht noch einen Whisky oder drei vor dem Zubettgehen. Auch jetzt hatte er ein Bier neben sich stehen – sein erstes heute. Weder Bliss noch Robison hatten Lust gehabt, nach Dienstschluss noch was trinken zu gehen, und Cowan hatte er nicht gefragt. Cowan blieb oft bis spät im Büro. Ihre Abteilung war im Polizeipräsidium in der Fettes Avenue untergebracht, was Cowan Gelegenheit gab, zufällig ein paar Vorgesetzten zu begegnen, Menschen, die ihm möglicherweise nützlich sein würden, sofern ihnen auffiel, dass er sie ausnahmslos korrekt ansprach und stets sauber polierte Schuhe trug.
    »So was nennt man Stalking«, hatte Rebus Cowan einmal aufgeklärt, als er ihn dabei erwischte, wie er ein bisschen zu herzlich über einen abgelutschten Witz lachte, den der Assis tant Chief Constable auf dem Gang erzählte. »Und mir ist aufgefallen, dass Sie ihn nie korrigieren, wenn er Sie Dan nennt …«
    Irgendwie tat Cowan ihm aber auch leid. Gewiss gab es weniger kompetente Beamte, die es sehr viel weiter gebracht hatten. Und das machte Cowan zu schaffen, es nagte so sehr an ihm, dass er schon fast ganz hohl war. Mit der Folge, dass das Team darunter litt, und das war sehr schade. Einige Seiten seines Jobs gefielen Rebus durchaus. Stets verspürte er so etwas wie angespannte Vorfreude, wenn er eine alte Akte aufschlug. Manchmal gab es Kisten um Kisten, jede davon nahm ihn mit auf eine Reise in die Vergangenheit. Vergilbte Zeitungen enthielten nicht nur Berichte über das fragliche Verbrechen, sondern auch andere Artikel über nationale oder internationale Angelegenheiten, außerdem Sport und Werbung. Er ließ Elaine Robison raten, was 1974 ein Haus gekostet hatte, und las Peter Bliss, der sich noch an die Namen von Spielern und Managern erinnerte, alte Fußballergebnisse vor. Aber irgendwann kam immer der Punkt, an dem Rebus zu dem Fall zurückkehrte, sich wieder in Details, Vernehmungen, Beweise und Aussagen von Angehörigen vertiefte: Jemand glaubt, er sei damit davongekommen … Jemand weiß, er ist damit davongekommen. Er hoffte, alle diese Mörder waren noch irgendwo da draußen, und je mehr sie über Fortschritte in der Spurensicherung und Kriminaltechnologie lasen, desto mulmiger wurde ihnen. Vielleicht mussten sie den Raum verlassen und sich in die Küche setzen, wenn ihre Enkelkinder CSI oder Waking the Dead im Fernsehen sahen. Vielleicht konnten sie den Anblick von Zeitungspapier nicht ertragen, nicht in Ruhe Radio hören oder die Fernsehnachrichten sehen aus Angst, der Fall würde wieder aufgenommen.
    Rebus hatte Cowan einen entsprechenden Vorschlag gemacht: Bringen Sie die Medien dazu, regelmäßig über Fortschritte zu berichten, echte oder erfundene, damit die Täter Angst bekommen.
    »Möglicherweise lässt sich auf die Art ja was lostreten.«
    Aber Cowan schien nicht gerade darauf erpicht: Erfanden die Medien nicht schon genug Geschichten?
    »In dem Fall würden sie sich ja keine ausdenken«, hatte Rebus beharrt, »sondern wir. « Aber Cowan hatte einfach nur weiter den Kopf geschüttelt.
    Die Platte war zu Ende, und Rebus hob die Nadel vom Vinyl. Es war noch nicht mal neun, viel zu früh, um ins Bett zu gehen. Gegessen hatte er bereits; auch schon entschieden, dass im Fernsehen nichts Sehenswertes lief. Die Flasche Bier war leer. Er ging ans Fenster und sah auf das Wohnhaus gegenüber. Zwei Kinder in Schlafanzügen starrten ihn aus der Wohnung im ersten Stock an. Als er winkte, sprangen sie davon. Jetzt rannten sie mitten im Zimmer im Kreis, hüpften auf Zehenspitzen, alles andere als schläfrig, und er kam in ihrem Universum nicht mehr vor.
    Er wusste aber, was sie ihm hatten sagen wollen – da draußen lag die große weite Welt. Und das konnte nur eins bedeuten.
    »Pub«, sagte Rebus laut, griff nach seinem Handy und seinen Schlüsseln. Dann schaltete er den Plattenspieler und den Verstärker aus, warf noch einen Blick auf das Plektrum und steckte es ein.

Teil eins
    A man disappears down barsteps
With a piece of wounded sky …

1
    Er war allein im Büro, als das Telefon klingelte. Cowan und Bliss waren in der Kantine, Robison hatte einen Termin beim Arzt. Rebus nahm den Hörer ab. Es war der Empfang.
    »Hier ist eine Dame, die DI Magrath sprechen
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