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Maedchen mit begrenzten Moeglichkeiten

Maedchen mit begrenzten Moeglichkeiten

Titel: Maedchen mit begrenzten Moeglichkeiten
Autoren: Muriel Spark
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Pfarrer drang nicht weiter in dieses Rätsel ein. Sie waren an der Stelle des May of Teck Club angelangt. Er sah jetzt genauso aus, wie die vertrauten Ruinen in der Nachbarschaft, so als wäre er schon vor langen Jahren bei einem Bombenangriff oder einige Monate zuvor von einer V-2 zerstört worden. Die Fliesen in der Eingangshalle lagen unordentlich durcheinander und führten ins Leere. Die Säulen wirkten wie römische Ruinen. Eine Seitenwand auf der Rückseite des Hauses war in halber Höhe zusammengebrochen. Greggies Garten war ein Haufen Mauerwerk, aus dem ein paar Blumen und seltene Pflanzen hervorsprossen. Die rosa und weißen Fliesen der Halle zeigten alle Spuren langer Vernachlässigung und am unteren Teil der zerstörten Seitenwand rollte sich ein zerfetztes Stück brauner Tapete auf.
    Joannas Vater stand da und hielt seinen großen, schwarzen Hut in der Hand.
     
    Unterm Dachfirst, da liegen die Äpfel in
    Reih’n …
     
    «Hier gibt’s wirklich nichts zu sehen», sagte der Pfarrer.
    «Wie meine Bandaufnahme», sagte Nicholas. «Ja, es ist alles fort, alles anderswo.»
    Rudi Bittesch nahm einige Notizbücher auf, die auf Nicholas Tisch lagen und blätterte darin.
    «Ist das übrigens das Manuskript deines Buches?»
    Er würde sich diese Freiheit in ihrem üblichen Umgang nicht erlaubt haben, aber Nicholas war ihm zur Zeit verpflichtet. Rudi hatte entdeckt, wo Selina war.
    «Du kannst sie haben», sagte Nicholas und meinte die Manuskripte. Den Tod, den er einst sterben würde, nicht voraussehend, sagte er: «Du kannst sie behalten. Vielleicht werden sie eines Tages, wenn ich berühmt bin, wertvoll.»
    Rudi lächelte. Nichtsdestoweniger klemmte er die Bücher unter den Arm und sagte:
    «Kommst du mit?»
    Auf dem Weg zu Jane, die er abholen wollte, um sich den Spaß beim Palast mit ihr anzusehen, sagte Nicholas:
    «Ich habe jedenfalls beschlossen, das Buch jetzt nicht erscheinen zu lassen. Das Schreibmaschinenmanuskript ist vernichtet!»
    «Ich muß diesen verdammten Stoß Bücher schleppen und nun erzählst du mir das! Was sollen sie denn schon wert sein, wenn du sie nicht veröffentlichst?»
    «Behalte sie, man kann nie wissen!»
    Rudi war in solchen Dingen vorsichtig. Er bewahrte die ‹Sabbat-Notizen› auf, um vielleicht einmal den Lohn einzuheimsen.
    «Willst du einen Brief von Charles Morgan haben, in dem er mich für ein Genie erklärt?» fragte Nicholas.
    «Irgendwas scheint dich verdammt heiter zu stimmen!»
    «Gewiß», sagte Nicholas, «willst du den Brief trotzdem haben?»
    «Was für einen Brief?»
    «Hier ist er.» Nicholas zog Janes Brief aus einer Innentasche. Er war zerknittert wie eine besonders geliebte Fotografie.
    Rudi warf einen Blick darauf. «Janes Werk», sagte er und gab ihn zurück. «Warum bist du vergnügt? Hast du Selina gesehen?»
    «Ja.»
    «Was hat sie gesagt?»
    «Sie hat geschrien, sie konnte nicht aufhören zu schreien. Es ist eine nervöse Reaktion.»
    «Dein Anblick muß ihr alles wieder ins Gedächtnis gerufen haben. Ich hab dir ja gesagt, du solltest dich von ihr fernhalten.»
    «Sie konnte gar nicht aufhören zu schreien.»
    «Du hast sie erschreckt.»
    «Ja.»
    «Ich hab dir ja gesagt, du solltest dich von ihr fernhalten. Sie taugt nichts, übrigens, sie hat es mit einem Schlagersänger in der Clarges Street. Hast du ihn gesehen?»
    «Ja, er ist ein äußerst netter Kerl. Sie haben geheiratet.»
    «Das behaupten sie. Du willst doch ein Mädchen mit Charakter, denk nicht mehr an sie.»
    «Na schön. Jedenfalls entschuldigte er sich sehr wegen ihres Geschreis, und ich entschuldigte mich natürlich auch sehr. Sie schrie daraufhin nur noch mehr. Ich glaube, sie hatte es vorgezogen, wenn wir aufeinander losgegangen wären.»
    «Du liebst sie ja gar nicht genug, um dich mit einem Schlagersänger anzulegen.»
    «Ich fand, es war ein netter Schlagersänger.»
    «Hast du ihn singen hören?»
    «Nein, das ist natürlich was anderes.»
    Jane war wieder so unglücklich und so hoffnungsvoll wie eh und je, sie hatte sich jetzt in einem möblierten Zimmer in Kensington Church Street eingerichtet. Sie war fertig, um mit ihnen zu gehen.
    Rudi sagte: «Sie schreien nicht, wenn Sie Nicholas sehen?»
    «Nein», sagte sie, «aber wenn er sich weiterhin weigert, George sein Buch veröffentlichen zu lassen, dann werde ich schreien. George schiebt mir die Schuld zu. Ich habe von dem Brief von Charles Morgan erzählt.»
    «Sie sollten sich vor Nicholas fürchten», sagte Rudi. «Die Damen
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