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Maedchen mit begrenzten Moeglichkeiten

Maedchen mit begrenzten Moeglichkeiten

Titel: Maedchen mit begrenzten Moeglichkeiten
Autoren: Muriel Spark
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wütet, denn er weiß wohl, seine Tage sind gezählt.»
    Nicht viele wußten, daß sich diese Worte auf den Teufel bezogen, aber sie riefen dennoch Belustigung hervor. Joanna hatte das nicht beabsichtigt. Es war ungewöhnlich, daß sie etwas zitierte, weil es gerade paßte und zur Konversation beitrug.
    Joanna, die jetzt wahlberechtigt war, würde von nun an konservativ wählen. Damit verband sich zu jener Zeit im May of Teck Club die angenehme Vorstellung von einem geordneten Leben, das allerdings keines der Mitglieder aus eigener Erfahrung kannte – denn dazu waren sie alle zu jung. Im Prinzip stimmten sie dem zu, was die Bekanntmachung des Komitees ausdrückte. Und darum war Joanna auch ganz erschrocken darüber, daß sie so belustigt auf ihr Zitat reagierten und sich mit einem herzhaften Lachen darin einig schienen, daß jene Tage vorüber seien, da die Mitglieder – von was auch immer – ihre Stimme nicht gegen eine Wohnzimmertapete hätten erheben dürfen. Wenn man das Prinzipielle beiseite ließ, mußte jeder die Bekanntmachung einfach ungeheuer komisch finden. Lady Julia mußte wohl ziemlich verzweifelt gewesen sein.
    «Er wütet und wütet, denn er weiß wohl, seine Tage sind gezählt.»
    Die kleine dunkle Judy Redwood, Stenotypistin im Arbeitsministerium, meinte: «Ich hab so das Gefühl, als ob wir als Mitglieder das Recht hätten, ein Wort in der Verwaltung mitzureden. Ich muß Geoffrey fragen.» Das war der Mann, mit dem Judy verlobt war. Er war noch bei der Armee, aber hatte noch vor der Einberufung sein Anwaltsexamen bestanden.
    «Geoffrey wäre der letzte, den ich um Rat fragen würde», sagte dessen Schwester Anne Baberton, die mit in der Gruppe vor dem Anschlag stand. Anne Baberton sagte es, um zu zeigen, daß sie Geoffrey besser kannte als Judy, sie sagte es, um ihre liebevolle Verachtung kundzutun. Sie sagte es, weil es sich ganz offensichtlich so gehörte für eine wohlerzogene Schwester, die stolz auf ihren Bruder war. Und außerdem klangen ihre Worte, ‹Geoffrey wäre der letzte, den ich um Rat fragen würde›, etwas irritiert, weil sie wußte, wie sinnlos es war, daß die Mitglieder die Tapetenfrage aufgriffen.
    Anne trat ihre Zigarette verächtlich auf den rosagrauen viktorianischen Fliesen der großen Eingangshalle aus. Eine magere Frau mittleren Alters wies mit dem Finger darauf, offenbar war sie eines der älteren, wenn nicht sogar das älteste der Mitglieder. «Es ist nicht erlaubt, Zigarettenenden auf den Fußboden zu werfen», bemerkte sie. Ihre Worte schienen nicht deutlicher in die Ohren der Gruppe zu dringen als das Ticken der Großvater-Uhr hinter ihr. Aber Anne sagte: «Darf man denn nicht einmal auf den Boden spucken?»
    «Ganz gewiß nicht», meinte die alte Jungfer.
    «Oh, ich dachte», sagte Anne.
    Der May of Teck Club war von Königin Mary gegründet worden, ehe sie König Georg V. heiratete, also noch Prinzessin May of Teck war. An einem Nachmittag zwischen Verlobung und Heirat hatte man die Prinzessin dazu bewogen, nach London zu kommen und den May of Teck Club zu eröffnen, der von kapitalkräftigen und wohltätigen Gönnern gestiftet worden war.
    Keine von den Damen, die zuerst dort einzogen, blieb im Club. Aber dreien der nächstfolgenden Mitglieder hatte man gestattet, über die festgesetzte Altersgrenze von dreißig Jahren hinaus zu bleiben. Sie waren jetzt in den Fünfzigern und lebten seit den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg im May of Teck Club, als sich noch alle Mitglieder, wie sie zu berichten wußten, zum Dinner umkleiden mußten.
    Kein Mensch ahnte, warum diesen drei Frauen nicht nahegelegt worden war, den Club zu verlassen, als sie die Dreißig erreicht hatten. Auch der Vorstand und das Komitee wußten nicht, warum sie geblieben waren. Jetzt war es zu spät, um sie auf anständige Art loszuwerden. Es war sogar zu spät, ihnen gegenüber die Tatsache ihrer Dauerresidenz zu erwähnen. Vor 1939 waren mehrere Komitees nacheinander der Ansicht gewesen, daß die drei älteren Insassen jedenfalls einen guten Einfluß auf die jüngeren ausüben könnten.
    Während des Krieges hatte man die Sache auf sich beruhen lassen, da der Club ohnehin halb leer war. Jedenfalls brauchte man Mitgliedsbeiträge. Und die Bomben löschten zu jener Zeit so vieles und so viele in der nächsten Nachbarschaft aus, daß es völlig offenblieb, ob die drei Jungfern sich mit dem Haus wirklich bis zum Ende aufrechterhielten. Bis 1945 hatten sie viele neue Mädchen kommen und alte gehen
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