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Mädchen im Schnee

Mädchen im Schnee

Titel: Mädchen im Schnee
Autoren: N Schulman
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hatte.
    »Dass Stina nichts von einer Party weiß und dass Samuel gestern niemand nach Hagfors gefahren hat.«
    Die Panik schlug zu wie eine durch den ganzen Körper fahrende Druckwelle.
    Magdalena reckte den Hals und warf im Rückspiegel einen raschen Blick auf Nils. Sein Gesicht war von dem flimmernden Licht des Bildschirms erhellt, und er wirkte ruhig und konzentriert. Ab und zu, wenn auch in immer größeren Abständen, hörte sie die Bonbontüte rascheln.
    Während der Fahrt durch Stockholm-Västerort hatten sie geschwiegen.
    Nils hatte aus dem Fenster geschaut, aber nichts gesagt, als sie an der Schwimmhalle Åkeshov, an der Schwimmschule und an der Sporthalle vorbeigefahren waren. Auch als sie an seiner alten Vorschule am Ängbyplan vorbeigekommen waren, hatte er nichts gesagt. Als würde er begreifen, dass sie das nicht ausgehalten hätte.
    Doch als sie die Lichter in dem kleinen, hellgelben Haus am Bergslagsvägen gesehen hatten, hatte er gesagt:
    »Können wir mal Tage besuchen?«
    »Aber sicher. Und er kann ja auch zu uns kommen.«
    Magdalena hatte das Lenkrad so fest umklammert, dass ihre Finger anfingen wehzutun. Tage und Nils, unzertrennlich in der Tagesstätte. Immer die schmutzigsten. Immer klatschnass. Und vielleicht am glücklichsten, wenn sie beide ihre Blixten-McQueen-Pullover anhatten. Nils hatte einen grünen, Tage einen braunen.
    Am Islandstorget musste Magdalena an der roten Ampel halten, und Nils hatte sich ans Fenster gelehnt und in die Baumkrone vor dem Lampengeschäft geschaut, in der Hunderte von Glühbirnen wie ein funkelndes Feuerwerk glitzerten. Seit seinem ersten Weihnachtsfest hatte er die bunten Spielsachen, den Schneemann und die Rentiere mit den Schlitten dort oben geliebt. Ja, und Magdalena ebenso. Zwar hatte sie manches Mal über die Stromkosten für den Lichterschmuck nachgedacht, doch später hatte sie sich hauptsächlich an dem Gefunkel erfreut.
    Erst als sie an dem rotierenden »V« am Vällingsbyrondell vorbeigefahren waren, hatte Nils sich wieder seinem Film zugewandt.
    Die Beleuchtung der Schnellstraße hatte jetzt schon lange aufgehört, und Magdalena konnte endlich den Tränen freien Lauf lassen. Lautlos.
    Pastellfarbene Fantasien tauchten in ihrem Kopf auf. Ebbas runder Schwangerenbauch im Profil. Ludvig, der in einem schwach erleuchteten Kreißsaal Ebbas Kreuzbein massiert. Ludvig mit Babytragebeutel auf dem Bauch, eine Hand über einem flaumigen Köpfchen.
    Magdalena reckte den Hals und warf noch einen Blick in den Rückspiegel. Nils war mit offenem Mund und in unbequemer Haltung eingeschlafen. Sie tastete nach dem richtigen Knopf und schaltete den DVD -Spieler aus.
    Ich muss mich zusammenreißen, dachte sie. Mich wie eine Erwachsene verhalten. Mich um Nils kümmern. Um uns. Ich muss das hinkriegen.
    Sie trank ein paar Schlucke Mineralwasser, stellte die Flasche in den Halter neben dem Sitz zurück und wischte sich mit der Hand über die Wange.
    Hatte Ludvig vielleicht doch recht? War sie egoistisch? War es falsch, Nils aus allem Gewohnten herauszureißen? Aber sie hatte ja schließlich nicht angefangen, sie war nicht diejenige, die sich scheiden lassen wollte und alles kaputt machte, was sie zusammen gehabt hatten. Jetzt saß Ludvig da in seiner schicken Wohnung, lud zu Familiengemütlichkeit samt Geschwisterchen ein und ließ sie wie ein naives Landei dastehen.
    Damit der Babyfilm in ihrem Kopf nicht noch einmal abgespielt wurde, versuchte Magdalena an Nils’ frisch gestrichenes Zimmer zu Hause zu denken, mit der Spiderman-Borte mitten an der Wand. Zwei Tage lang hatte sie gestrichen und in ihrem neuen Heim alles so schön gemacht, wie sie nur konnte. Mit der Hilfe ihres Vaters hatte sie auch die meisten Möbel im Haus an ihren vorgesehenen Platz bringen können.
    Sie musste an Nils’ Slalomski denken, die sie zwischen den Jahren im Schlussverkauf zum halben Preis erstanden hatte. Drei Jahre zuvor waren sie zum Skifahren in Åre gewesen. Nils war damals eigentlich noch zu klein, aber sie hatten ihm für einen Tag Leihski besorgt. Magdalena erinnerte sich noch an Nils’ glückliches Johlen, als Ludvig ihn zwischen seinen Beinen hielt und mit ihm davonpflügte. Schade, dass der Lift am Värmullsåsen nicht mehr in Betrieb war. Aber es gab schließlich noch den am Ekesberget.
    Endlich verspürte sie ein wenig Zuversicht. Doch, natürlich war es das Richtige. Nils würde in eine kleine Schule gehen können, würde von Ruhe und Stille, Wald und Seen umgeben sein. Er
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