Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mademoiselle singt den Blues - mein Leben

Mademoiselle singt den Blues - mein Leben

Titel: Mademoiselle singt den Blues - mein Leben
Autoren: Patricia Kaas
Vom Netzwerk:
besser noch hübscher noch begabter als sie. Ich wohnte in der gleichen bescheidenen Unterkunft für Bergarbeiterfamilien, ging in dieselbe Schule, träumte von den gleichen volantbesetzten Kleidern. Es gab keine großen Unterschiede zwischen uns. Vielleicht war ich ein wenig verbissener, meiner Sache leidenschaftlicher ergeben.
    Â 
    Der Kontext, die Atmosphäre, mein Wunsch zu gewinnen … Ich fürchte nicht, dass andere besser sein könnten. Wir treten mit unterschiedlichen Liedern in unterschiedlichen Sprachen zum Vergleich an. Ich habe Angst, nicht auf der Höhe des Anlasses zu sein. Ich werde »Et s’il fallait le faire«  – Wenn ich es tun müsste  – singen, eine Ballade. An dritter Stelle, was zu früh im Programm ist…
    Jetzt bin ich dran. Ich habe kaum einen Fuß auf die Bühne gesetzt, da setzt der Applaus ein. Erst nur schwach, doch dann wird er enorm. Das russische Publikum unterstützt mich, obwohl ich heute als »Feindin« hier bin, schließlich singe ich für Frankreich. Diese Reaktion rettet mich. Die Welle der Zuneigung ersetzt mir die Beine, verleiht mir Flügel. Ich singe. So gut ich irgend kann, von ganzem Herzen.

    Doch ich lande auf Platz acht von vierundvierzig. Ich wollte gewinnen. Es ist nicht so, dass ich nicht gut verlieren könnte, aber es ist mir peinlich, nicht an der Spitze zu sein, obwohl wir doch versprochen hatten, die französische Flagge aufzupflanzen. Als die Resultate verkündet werden, bin ich unglücklich. Am Morgen darauf titelt die große russische Tageszeitung Iswestija : »Königin Kaas wurde beraubt.« Aber das kann mich nicht trösten. Ich verdaue diese Niederlage nicht, ich möchte sie rückgängig machen, ich möchte zurück auf die Bühne und noch einmal singen. Als ich am Sonntag darauf nach Paris zurückkehre, schäme ich mich, nicht meinetwegen, aber weil ich nicht gewonnen habe. So sehe ich mich in dieser Situation, und ich bilde mir schließlich ein, dass die anderen dasselbe denken, dass sie mich verurteilen. Ich gehe mit Tequila spazieren und leiste mir sogar einen echten Anfall von Verfolgungswahn. Irgendwelche Leute lachen, und ich glaube, sie machen sich über mich lustig. Andere sehen mich an, und ich denke, sie sind mir böse. Ich gehe mit gesenktem Kopf und wage ihn nicht zu heben, wenn ich von einem Balkon aus gegrüßt werde. Einige erahnen meine Angst und ergänzen ihren Gruß um ein »Es war toll!« oder »Das ist doch gar nicht schlimm …« oder »Bravo, das haben Sie gut gemacht bei der Eurovision!«.
    Das ist das Schöne daran, wenn man bekannt ist: Unvermutet tauchen irgendwo auf der Straße Verbündete auf, die einen trösten oder ermutigen möchten. An den Tagen, die auf den Eurovisionswettbewerb folgen, spüre ich bei vielen Leuten einen mit Verlegenheit gemischten Stolz. Ich war so kühn teilzunehmen, und dieser Wagemut hat bei manchen Respekt hervorgerufen. In Frankreich findet man diesen Wettbewerb weniger bedeutsam als in anderen Ländern. Doch immerhin
verfolgten ihn dieses Mal besonders viele französische Fernsehzuschauer, nämlich sechs Millionen. Das entspricht einem Marktanteil von zweiunddreißig Prozent. Zum ersten Mal hat der Sender France3 an einem Samstagabend TF1 geschlagen! Ich bereue nicht, dass ich teilgenommen habe.
    Dieses gemischte Gefühl entspricht der Haltung der Franzosen mir gegenüber. Für eine zu große Zahl von ihnen gehöre ich zur Popmusik, und in dieser Ecke scheine ich bleiben zu müssen. Sie vergessen, dass guter Geschmack auch einer Mehrheit gefallen kann und dass diese sich nicht unbedingt immer täuscht. Ich bin es durchaus wert, von bestimmten französischen Radiosendern gespielt zu werden, doch ich werde lieber den nostalgischen Sendungen zugeordnet. Sogar wenn es um mein Album Kabaret geht, das meiner Meinung nach unbestreitbar modern ist. In Frankreich ist es schwer, aus einer Schublade herauszukommen, in die man einmal gesteckt wurde. Zur Zeit meiner Kabaret -Vorstellungen war ich sowohl darüber erstaunt, dass ich von den sogenannten »angesagten« Medien eingeladen wurde, als auch darüber, dass die Modezeitschriften mich ignorierten. Das hervorstechende Merkmal der Kombination von unterschiedlichen Disziplinen wie zeitgenössischem Tanz und Videokunst ist denen, die die Vorstellung gesehen haben, nicht
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher