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Mademoiselle singt den Blues - mein Leben

Mademoiselle singt den Blues - mein Leben

Titel: Mademoiselle singt den Blues - mein Leben
Autoren: Patricia Kaas
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andere Richtung abgesichert werden. Ich musste hören, wie der Arzt meinen Bauch aufgab, wie er mir sagte, es sei vorbei, es sei zu spät. Er sagt es mit einfachen Worten, ruhig erklärt er mir alles. Und sagt dabei nie das Wort. Ich hätte es sowieso nicht gehört. Keine Lust. Ich verstehe es nicht. Ich kann diese Mitteilung nicht wirklich aufnehmen. Ich habe gerade mit Kabaret einen sowohl künstlerischen als auch körperlichen Kraftakt bewältigt, und er erklärt mir, ich hätte mein physiologisches Verfallsdatum überschritten? Ich kann mir noch so oft sagen, dass ich immer noch eine Frau bin, es will mir nicht in den Kopf, dass ich kein Kind mehr austragen kann. Ein ungeheures, bodenloses Unbehagen erfasst mich. Was für eine Frau ist man ohne Kind? Fragen bedrängen mich. Ich habe meine Karriere wie ein Boot gelenkt, das nie Zeit hatte, am Ufer anzulegen. Ich hatte die Wahl, ich habe mich mehrmals für eine Abtreibung entschieden. Und dennoch bereue ich es selbst jetzt nicht. Ich kann nicht bereuen,
ich fände es absurd und unberechtigt. Zum gegebenen Zeitpunkt tut man, was man kann. Man ist nicht immer im Gleichtakt mit seinem Leben.
    Ich kann dieses »Vorbei« nicht akzeptieren, dieses Gitter, das plötzlich vor meiner Nase vor der Abteilung Mutterschaft heruntergerasselt ist. Es geht mir besser, ich bin jetzt nicht mehr so verletzt, so traumatisiert von der Vergangenheit, ich bin fast bereit zu lieben, ein Kind zu bekommen. Doch das Schicksal lacht mich aus. Ich schlafe nicht mehr. Ich bin besessen. Frauen werden schwanger, nur ich nicht. Das heißt aber nicht, dass ich nie ein Kind haben werde. Ich weigere mich, so etwas hinzunehmen. Ich bin zu jung, als dass man mir diese Hoffnung just in dem Moment nehmen dürfte, in dem ich vielleicht zu etwas Konstruktivem bereit bin in meinem Liebesleben. Ich fühle mich als Frau und wohl in meiner Haut, ich bin endlich zuversichtlicher. Inzwischen bin ich mir meiner Leistungen sicher, meines Mutes und meiner Werte. Ich fühle mich voller Zukunft, weil voller Energie. Doch nun werde ich entmutigt und ins Nichts geworfen. Ich fühle mich wie bestraft. Es gibt Freuden des Frauseins, die ich gern erlebt hätte und die ich nicht erleben werde. Mehr nicht. So schlimm ist das nicht, nur ein wenig traurig. Ich sehe ja den glücklichen Gesichtsausdruck junger Mütter, ihren Stolz, ihr Erblühen, ich bemerke den unendlich zärtlichen Blick der Väter, ihr befriedigtes Lächeln. Natürlich sehe ich diese runden Bäuche in den Straßen. Ich werde mich darin üben, sie zu übersehen, jedenfalls vorerst. Sie zeigen mir alles, was man mir gerade weggenommen hat.
    Ich werde nie erleben, wie gut sich eine schwangere Frau fühlt. Ich werde die kleinen Fußtritte in meinem Innern nie spüren. Ich werde nie gebären. Nie den ersten Schrei meines
Babys hören. Na schön. Was soll’s! Wenn ich dem Mann meines Lebens begegne und wir uns gemeinsam ein Kind wünschen, dann werden wir es adoptieren. Es gibt so viele notleidende Kinder auf der Welt! Und wissen Sie was? Dann werde ich erleben, was alle Mütter erleben. Ich schleppe dann Arnikasalbe, Schmusetierchen und Kinderfotos mit mir herum. Erzähle dem Kind vor dem Einschlafen Geschichten und knipse das Nachtlicht an. Wir kuscheln uns auf das Wohnzimmersofa und sehen Zeichentrickfilme, und ich hole es von der Schule ab, wenn angerufen wird, weil es Fieber hat. Zum Muttertag bekomme ich von ihm eine Kette aus Nudeln. Sein Papa und ich gehen mit ihm schwimmen und Ski fahren. Wir werden todmüde sein, aber glücklich. Ja genau, todmüde, aber glücklich!
    Â 
    Ich nähere mich der letzten Geraden meiner Erinnerungen. Ich möchte bei Ihnen nicht einen Beigeschmack des Unfertigen hinterlassen. Ich bin zu Hause in Paris, in dieser Wohnung, die ich so sehr liebe. Ich habe so viel von mir selbst hineingesteckt. Eine kolossale Arbeit, ein Pyramidenbau in Klein. Ich wollte ein Nest nach meiner Fasson, und ich habe mich hundertzehnprozentig in die Arbeit gestürzt. Mit Leib und Seele, denn ich habe eine neue Leidenschaft: Inneneinrichtung. An den Wänden hängen große zeitgenössische Fotos neben schweren barocken Stücken. Hier und da ein roter Tupfer, aber sonst keine kräftigen Farben. Ich mag diese graubraunen, rotbraunen Atmosphären, silbrige Patina und gewachste Kalkanstriche. Natürlich spielt Schwarz eine Hauptrolle.
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