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Mademoiselle singt den Blues - mein Leben

Mademoiselle singt den Blues - mein Leben

Titel: Mademoiselle singt den Blues - mein Leben
Autoren: Patricia Kaas
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können. Sie sind hier, um geliebt zu werden. Wir sind an einem Ort, an dem sich die Leute abends entspannen, andere Leute kennenlernen, etwas trinken, und das alles in einer schicken und diskreten Umgebung. In Deutschland, in der Rumpelkammer in Saarbrücken. Die Frauen tragen Seidenblusen mit weiten Ärmeln, schwarze Paillettenkleider und lila Overalls. Die Männer Pullis mit V-Ausschnitt und darunter Hemden mit zu langen Kragenspitzen. Ich bin dreizehn Jahre alt. Ich singe hier manchmal samstags, und das verdanke ich Dany: Er ging hier öfter feiern und sah, dass die Rumpelkammer einen Gesangswettbewerb veranstalten wollte. Er meldete mich an, obwohl ich noch viel zu jung war, um daran teilzunehmen. Und ich gewann. Deshalb luden mich die Betreiber des Lokals, die zugleich die Musiker der Gruppe Dob’s Lady Killers
sind, ein, mit ihnen zu singen. Seither bin ich die Sängerin ihrer Band, und das werde ich sieben Jahre lang bleiben. Jedes Mal bekomme ich fünfzig Deutsche Mark, und das freut mich. Meine Aufgabe in der Rumpelkammer ist nicht besonders schwer: Man muss die Leute zum Tanzen bringen und einen deutschen, französischen oder amerikanischen Schlager nach dem anderen singen. Und darauf achten, dass auf einen heißen Rhythmus ein Slow folgt. Ich bin gern auf dieser Bühne. Auch wenn es noch nicht meine Bühne ist, denn die Leute sind nicht meinetwegen hier: Wir sind nur die akustische Kulisse, vor der getrunken, geflirtet und getanzt wird.
    Natürlich ist ein Nachtklub auf den ersten Blick nicht der rechte Ort für ein Mädchen meines Alters. Zumal dieser auch noch von Dreißig- und Vierzigjährigen frequentiert wird. Es ist eigentlich auch nicht die rechte Uhrzeit. Ich bin noch auf, wenn Heranwachsende normalerweise längst schlafen. Meine Freundinnen werden noch einige Jahre warten müssen, bis sie in die Rumpelkammer eingelassen werden. Und obwohl Maman mich jedes Mal begleitet, kann sie mich nicht vor dem schützen, was ich sehe: die Welt der Erwachsenen.
    Die Mädchen in meinem Alter, die im Allgemeinen einen Tunnelblick haben, interessieren sich hauptsächlich für Jungs und für die ersten Kippen. Zeigt ein Kerl das geringste Interesse oder Desinteresse, so ist das Anlass für endlos lange und stumpfsinnige Gespräche. Mich lässt das eher kalt. Vielleicht hat mich der Anblick eng umschlungener Erwachsener den Sorgen meiner Spielkameradinnen entfremdet. Vielleicht verbringe ich auch zu wenig Zeit mit den Mädchen. Ich bin sehr beschäftigt. Zwischen der Rumpelkammer und all den Gesangswettbewerben, an denen ich teilnehme, verfliegen meine Jugendjahre. Ich habe nicht die Zeit, vom Märchenprinzen
zu träumen, ihn zu erhoffen und zu erwarten. Mir fehlt diese Latenzzeit, diese in der Schwebe bleibende Zeit der Jugend, mir fehlen diese langen Stunden, in denen man sich sein Leben vorstellt und darauf brennt, in dieses Leben einzutreten. Ich bin schon mittendrin.
    Und ich habe einen Verehrer, er heißt Christophe und ist sehr süß. Alles spricht für ihn, nur nicht meine Mutter. In Sachen Jungs kann man meine Mutter nicht gerade cool nennen. Sie gehört zu einer Generation, für die die Ehe immer noch ein absoluter Wert und vor allem Vorbedingung für jeden weitergehenden Körperkontakt ist. Ganz wie früher! Wir sprechen diese Frage nicht an. In meiner Familie ist man schamhaft. Alles Intime wird verschwiegen. Maman fällt es also nicht leicht, mit mir darüber zu sprechen, doch sie macht mir klar, was sie für angebracht hält und was nicht.
    Nach einer Weile bleibt ihr nichts anderes übrig, als Christophe zu akzeptieren. Wenn er doch immer vor der Tür steht, kann sie ihn genauso gut hereinlassen. Und feststellen, dass er höflich, aus guter Familie und außerdem auch noch liebenswürdig ist. Sie kennt seine Eltern. Trotzdem, Maman passt auf. Ich muss zur vereinbarten Zeit wieder zu Hause sein, also früh, und ich darf nicht außer Haus übernachten. Die Regeln bleiben streng. Und ich tue gut daran, sie nicht zu vergessen.
    Maman beschützt mich, sie neigt dazu, sehr genau auf mich aufzupassen, und manchmal ist sie ein bisschen dominant. Die Jungs haben einen kleinen Keil zwischen Maman und mich getrieben. Früher wusste sie alles von mir, was ich wann tat, was ich mir wünschte, wonach ich mich sehnte, wovon ich träumte. Jetzt muss ich über zwei oder drei Sachen, die ich meiner Mutter
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