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Madame Hemingway - Roman

Madame Hemingway - Roman

Titel: Madame Hemingway - Roman
Autoren: Paula McLain
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ihr Tonfall war plötzlich schneidend.
    »Er hat mir erzählt, dass er einmal für dich geschwärmt hat.«
    »Ach, wirklich?« Da war der Tonfall wieder. »Na, das hat er ja mittlerweile überwunden.«
    Ich wusste nicht, was zwischen den beiden vorgefallen war, doch es schien offensichtlich etwas ziemlich Kompliziertes gewesen zu sein, über das sie nicht sprechen wollten. Ich hakte nicht nach.
    »Ich halte mich ja gern für ein Mädchen, das bereit ist, alles zu trinken, aber vielleicht nicht unbedingt etwas aus einem Schuh«, erklärte ich.
    »Du hast recht. Lass uns etwas anderes besorgen.« Sie lächelte, strahlte mich mit ihren grünen Augen an und wurde wieder zu meiner gutgelaunten Kate. Wir zogen also los, um uns zu betrinken und fröhlich zu sein.
     
    Ich bemerkte, dass ich den Rest des Abends nach Ernest Ausschau hielt, darauf wartete, dass er wieder auftauchte und Schwung in die Runde brachte, aber er kam nicht mehr. Er musste sich irgendwann unbemerkt aus dem Staub gemacht haben. Nach und nach verschwanden alle Gäste, und um drei Uhr morgens war nur noch ein kleiner Rest übrig, dessen tragischen Mittelpunkt Little Fever darstellte.
    »Zu Bett, zu Bett«, sagte Kate und gähnte.
    »Ist das von Shakespeare?«
    »Keine Ahnung. Ist es das?« Sie bekam einen Schluckauf und musste lachen. »Ich werde mich jetzt zu meiner armseligen Bude begeben. Kann ich dich hier allein lassen?«
    »Selbstverständlich. Kenley hat mir ein ganz reizendes Zimmer zugeteilt.« Ich brachte sie zur Tür, wo sie in ihren Mantel schlüpfte, und wir verabredeten uns für den nächsten Tag zum Mittagessen.
    »Du musst mir alles erzählen, was zu Hause passiert ist. Wir sind ja noch gar nicht dazu gekommen, über deine Mutter zu sprechen. Das muss doch schrecklich für dich gewesen sein, du armes Ding.«
    »Darüber zu reden macht mich nur wieder traurig«, erwiderte ich. »Aber das hier ist großartig. Danke, dass du mich hergelockt hast.«
    »Ich dachte schon, du würdest nicht kommen.«
    »Ich auch. Fonnie meinte, es sei noch zu früh.«
    »Das war ja klar, dass sie das sagt. Deine Schwester mag in mancher Hinsicht klug sein, Hash, aber nicht, was dich betrifft.«
    Ich lächelte sie dankbar an und wünschte ihr eine gute Nacht. Kenleys Wohnung war vollgepackt mit Besuchern, wie ein Kaninchenbau, doch er hatte ein großes und sehr sauberes Zimmer mit einem Himmelbett und einer Kommode für mich reserviert. Ich zog mein Nachthemd an und löste mein Haar, um es zu bürsten, während ich die Höhepunkte des Abends Revue passieren ließ. So lustig es auch mit Kate gewesen war und sosehr ich mich gefreut hatte, sie nach all den Jahren wiederzusehen, musste ich mir doch eingestehen, dass das Tanzen mit Ernest Hemingway den ersten Platz auf meiner Liste erinnerungswürdiger Erlebnisse einnahm. Ich konnte seinen Blick immer noch auf mir spüren, genau wie sein ganzes elektrisierendes Wesen. Doch was hatten seine Aufmerksamkeiten zu bedeuten? Kümmerte er sich um mich, da ich eine alte Freundin von Kate war? Hatte er immer noch Gefühle für Kate? War sie in ihn verliebt? Würde ich ihn überhaupt je wiedersehen?
    Durch meinen Kopf schwirrten plötzlich so viele unbeantwortbare Fragen, dass ich über mich selbst lächeln musste. Hatte ich nicht genau das gewollt, als ich nach Chicago kam: auf andere Gedanken gebracht werden? Ich schaute in den Spiegel über der Kommode. Ich erkannte die alte Hadley Richardson mit ihren kastanienbraunen Locken, den schmalen Lippen und den hellen runden Augen, doch ich sah noch etwas Neues, den Funken einer Möglichkeit. Vielleicht würde die Sonne tatsächlich bald scheinen. Bis dahin würde ich Nora Bayes’ Lied vor mich hinsummen und mit aller Macht so tun als ob.

Drei
    Als ich am nächsten Morgen die Küche betrat, traf ich dort auf Ernest, der träge am Kühlschrank lehnte und die Morgenzeitung las, während er einen halben Laib Brot verschlang.
    »Hast du etwa hier geschlafen?«, fragte ich und konnte meine Überraschung bei seinem Anblick nicht verbergen.
    »Ich wohne hier. Nur vorübergehend, bis die Dinge für mich ins Rollen kommen.«
    »Was genau möchtest du denn tun?«
    »Ich würde mal sagen, in die Literaturgeschichte eingehen.«
    »Wow«, erwiderte ich. Sein Selbstvertrauen war beeindruckend. Das konnte unmöglich gespielt sein. »Woran arbeitest du denn gerade?«
    Er machte ein langes Gesicht. »Gerade schreibe ich irgendwelchen Mist über Firestone-Reifen, aber ich habe vor, bedeutsame
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