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Madame Hemingway - Roman

Madame Hemingway - Roman

Titel: Madame Hemingway - Roman
Autoren: Paula McLain
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Storys oder einen Roman zu schreiben. Vielleicht auch Gedichte.«
    Ich war perplex. »Ich dachte immer, Dichter wären schweigsam und schüchtern und scheuten das Tageslicht.«
    »Dieser hier nicht.« Er kam zu mir an den Tisch und setzte sich rittlings auf einen Stuhl. »Wer ist dein Lieblingsschriftsteller?«
    »Henry James vielleicht. Ich lese seine Bücher immer wieder.«
    »Was für eine reizende Langweilerin du doch bist.«
    »Findest du? Wer ist denn dein Lieblingsschriftsteller?«
    »Ernest Hemingway.« Er grinste. »Übrigens leben viele berühmte Schriftsteller hier in Chicago. Kenley kennt Sherwood Anderson. Schon mal was von ihm gehört?«
    »Natürlich. Er hat
Winesburg, Ohio
geschrieben.«
    »Exakt.«
    »Nun, so mutig wie du bist, kannst du wohl alles erreichen.«
    Er sah mich ernst an, als wollte er abschätzen, ob ich ihn aufziehen oder beschwichtigen wollte, doch beides lag mir fern. »Wie trinkst du deinen Kaffee, Hasovitch?«, fragte er schließlich.
    »Heiß«, antwortete ich, und er lächelte dieses Lächeln, das in seinen Augen begann und sich dann über das ganze Gesicht ausbreitete. Es war umwerfend.
     
    Ernest und ich waren noch immer ins Gespräch vertieft, als Kate kam, um mich zum Mittagessen abzuholen. Ich war noch im Morgenmantel, während sie frisch und schick in Hut und Mantel aus roter Wolle vor mir stand.
    »Tut mir leid«, entschuldigte ich mich, »gib mir eine Minute.«
    »Lass dir Zeit, du hast es verdient, ein wenig zu faulenzen«, erwiderte sie, kam mir aber dennoch ungeduldig vor.
    Ich ging in mein Zimmer, um mich umzukleiden, und als ich zurückkam, war Kate allein in der Küche.
    »Wohin ist Nesto denn verschwunden?«
    »Ich habe keine Ahnung«, sagte Kate. Und da sie mir meine Enttäuschung deutlich ansah, fügte sie noch hinzu: »Hätte ich ihn einladen sollen mitzukommen?«
    »Sei nicht albern. Heute ist unser Tag.«
    Wir verbrachten dann auch wirklich einen wunderbaren Nachmittag. Von allen Mädchen in meiner Klasse im Mary Institute war Kate stets die Mutigste und Furchtloseste gewesen, die sich mit jedem unterhalten und aus allem einen Spaß machen konnte. Sie hatte sich seitdem kein bisschen verändert, und ich fühlte mich selbst viel mutiger und um Jahre jünger, während ich mit ihr über die Michigan Avenue schlenderte. Wir aßen in einem Restaurant gegenüber vom riesigen Marmorbaudes Art Institutes, vor dem zwei majestätische Löwen über den Verkehr und das wogende Meer aus dunklen Mänteln und Hüten wachten. Es war kühl an diesem Tag, und nach dem Mittagessen liefen wir eng zusammengedrängt Arm in Arm durch die State Street und betraten jeden interessant aussehenden Laden auf unserem Weg. Sie versuchte, mir Geschichten von zu Hause zu entlocken, aber ich wollte meine gute Laune nicht verlieren. Also brachte ich Kate dazu, mir von ihrem Sommer oben in Michigan zu erzählen, vom Fischen und gemeinsamen Schwimmen und der allgemeinen Ausgelassenheit dort. In all ihren Geschichten tauchten Ruderboote und Ukulelen, Vollmonde und Lagerfeuer und reichlich Grog auf. Ich war schrecklich neidisch auf sie.
    »Warum kriegst du eigentlich alle jungen Männer ab?«
    »Die gehören mir ja nicht, ich leihe sie mir nur aus.« Sie lächelte. »Wahrscheinlich hilft es, dass ich Brüder habe. Und manchmal ist es ja auch wirklich eine Plage. Ich habe den halben Sommer damit verbracht, den einen zu ermuntern und den anderen zu entmutigen, und das führte zu einer riesigen Verwirrung, und am Ende hat überhaupt niemand jemanden geküsst. Na, siehst du? Es gibt nichts, worauf du neidisch sein müsstest.«
    »Macht Carl Edgar dir immer noch regelmäßig Anträge?«
    »Ach, ich fürchte, ja. Der arme alte Edgar. Manchmal frage ich mich, was wohl passieren würde, wenn ich einmal ja sagte, nur versuchsweise.«
    »Er würde tot umfallen.«
    »Oder vielleicht panisch wegrennen. Manche Männer scheinen es geradezu darauf anzulegen, dass ein Mädchen sie abweist.«
    »Was ist mit Ernest?«
    »Was soll mit ihm sein?« Ihr Blick wurde aufmerksam.
    »Mag er es, von Frauen abgewiesen zu werden?«
    »Woher soll ich das wissen?«
    »Wie jung ist er überhaupt? Fünfundzwanzig?«
    Sie schmunzelte. »Einundzwanzig. Wirklich noch ein Junge. Für so etwas bist du doch wirklich zu vernünftig.«
    »Was meinst du damit?«
    »Ich dachte, ich hätte da ein gewisses Interesse bemerkt.« Sie musterte mich eingehend.
    »Mir ist bloß ein bisschen langweilig«, gab ich zurück. Doch ich war schon immer
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