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Madame Butterflys Schatten

Madame Butterflys Schatten

Titel: Madame Butterflys Schatten
Autoren: Lee Langley
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Hüte, alles in Amerika hatte fröhliche Farben.
    Sie wandte sich wieder den Dingen zu, über die sie Bescheid wusste: einem weißen Brautgewand und einem scharlachroten Kimono mit einer verstärkten Saumschleppe und langen Ärmeln. Dazu gehörte eine steife obi -Schärpe. Gebunden zu einem cho-cho -Knoten, der aussah wie ein Schmetterling – sie musste lernen, wie man die Schärpe band …
    Langsam, als würden ihre Knochen schmelzen, ließ sie sich auf den Boden sinken und legte den Kopf auf die Knie. Sie konnte die Tränen, die ihr in die Augen stiegen, nicht länger zurückhalten, sie liefen ihr über die Wangen und durchnässten den Stoff ihres Kimonos.
    Sie zitterte, als hätte sie Schüttelfrost, und ihre Hände waren trotz der Wärme eiskalt. Das Zimmer war leer, um sie herum lagen keine zeremoniellen Gewänder ausgebreitet. Sie versuchte das Bild einer Hochzeitszeremonie festzuhalten, zählte im Geist beharrlich die traditionellen Gegenstände auf. Verweilte bei Seide, Elfenbein, Perlmutt. Hübsche Bilder. Doch früher oder später, das wusste sie, nachdem irgendeine Art von Zeremonie stattgefunden hatte und die Welt draußen hinter den geschlossenen shoji- Türen verschwunden war, würde sie allein sein mit einem Fremden, der ihren Körper gekauft hatte. Er würde von ihr erwarten, dass sie den Kimono ablegte und ihm zu Willen war.
    Shikata ga nai . Es war, wie der alte Spruch sagte: Es ist nicht zu ändern .
    Aber sie war fünfzehn, und sie hatte Angst.
    Der Pfad wand sich in Serpentinen vom Hafen den Hügel herauf, kam auf der Landspitze kurz in Sicht und verschwand dann hinter den Ahornbäumen. Sie hatte ihn die ganze Zeit im Auge behalten, aber offenbar hatte sie irgendwann doch einen Moment nicht aufgepasst, denn jetzt sah sie auf halber Höhe einen Mann auf das Haus zukommen. Er war ganz in Weiß gekleidet, und sein Gesicht lag unter dem Schirm seiner Mütze verborgen, bis er plötzlich den Arm hob und sie abnahm, um sich den Schweiß von der Stirn zu wischen. Golden schimmerndes Haar kam darunter zum Vorschein. Goldenes Haar, dachte sie voller Staunen, wie hell es war, wie amerikanisch!
    Er blieb stehen und drehte sich um, und sie sah, dass ihm ein zweiter Mann folgte, ein dünner, dunkelhaariger älterer Mann in einem schwarzen Anzug, der Konsul, Sharpless-san. Sie war ihm früher schon begegnet, er hatte ihren Vater gekannt. Seite an Seite gingen die beiden Männer weiter, und Cho-Cho kam es so vor, als schritte neben dem in hellem Glanz erstrahlenden Amerikaner ein Schatten in der Gestalt eines Mannes einher.

Kapitel 3
    SHARPLESS ÜBERNAHM ES, sie einander vorzustellen: »Leutnant Benjamin Franklin Pinkerton, Cho-Cho-san …«
    In seiner Funktion als Konsul musste Sharpless häufig aus dem einen oder anderen Grund Menschen miteinander bekannt machen; ein Mädchen an einen Seemann zu verschachern gehörte für gewöhnlich jedoch nicht zu seinen Aufgaben. Es war widerwärtig, und am liebsten hätte er einen Rückzieher gemacht, aber er wurde als Übersetzer gebraucht, und er sollte diesem Handel den Anstrich eines normalen gesellschaftlichen Ereignisses verleihen.
    Wie es die Sitten verlangten, hatten die beiden Männer an der Tür ihre Schuhe ausgezogen. Jetzt streckte Pinkerton zur Begrüßung die Hand aus, im gleichen Augenblick, in dem Cho-Cho sich anmutig verbeugte, sodass er mit den Handknöcheln ihre Wange streifte.
    »Oh!« Sie wich erschrocken zurück, überzeugt davon, dass sie an diesem Missgeschick schuld war.
    »Mist! Tut mir leid!« Pinkerton wedelte hilflos mit den Armen. In dem kleinen Raum mit den dünnen Papierwänden kam er sich wie ein tapsiger Bär vor, völlig fehl am Platz.
    Das Mädchen sprach die traditionellen Begrüßungsworte und verbeugte sich erneut. Sharpless übersetzte. Pinkerton nickte.
    »Verstehe.«
    Er überlegte, was er noch sagen könnte. Aber ihm fiel nichts ein. Hilfesuchend blickte er zu Sharpless. Das Schweigen dehnte sich, bis schließlich einige Worte auf Japanisch gewechselt wurden.
    »Sie fragt, welcher Religion Sie angehören.«
    »Ja. Verstehe.« Das hier lief alles ganz anders, als er es sich vorgestellt hatte. »Meine Familie … wir sind Methodisten. Aber ich denke mal, das spielt keine Rolle.«
    Sharpless übersetzte von seiner Antwort so viel, wie er für nötig hielt. Cho-Cho nickte. Erneutes Schweigen. Dann wieder ein paar gemurmelte Worte. Sharpless übersetzte, während das Mädchen den Leutnant erwartungsvoll ansah.
    »Sie fragt, wann die
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