Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Madame Bovary

Madame Bovary

Titel: Madame Bovary
Autoren: Gustave Flaubert
Vom Netzwerk:
Sparsamkeit kam Bovary nicht aus den alten Schulden
heraus. Lheureux wollte keinen Wechsel mehr prolongieren, und so
stand die Pfändung abermals bevor. Da wandte er sich an seine
Mutter. Sie schickte ihm eine Bürgschaftserklärung. Aber im
Begleitbriefe erhob sie eine Menge Beschuldigungen gegen Emma. Als
Entgelt für ihr Opfer erbat sie sich einen Schal, der Felicies Raubgier entgangen war. Karl verweigerte
ihn ihr. darüber entzweiten sie sich.
    Trotzdem reichte sie bald darauf selber die Hand zur Versöhnung.
Sie schlug ihrem Sohne vor, sie wolle die kleine Berta zu sich
nehmen; sie könne ihr im Haushalt helfen. Karl willigte ein. Aber
als das Kind abreisen sollte, war er nicht imstande sich von ihm zu
trennen. Diesmal erfolgte ein endgültiger, völliger Bruch.
    Nun hatte er alles verloren, was ihm lieb und wert gewesen war,
und er schloß sich immer enger an sein Kind an. Aber auch dies
machte ihm Sorgen. Berta hustete manchmal und hatte rote Flecken
auf den Wangen.
    Ihm gegenüber machte sich in Gesundheit, Glück und Frohsinn die
Familie des Apothekers breit. Was Homais auch wollte, gelang ihm.
Napoleon half dem Vater im Laboratorium, Athalia stickte ihm ein
neues Käppchen, Irma schnitt Pergamentpapierdeckel für die
Einmachegläser, und Franklin bewies ihm bereits schlankweg den
pythagoreischen Lehrsatz. Der Apotheker war der glücklichste Vater
und der glücklichste Mensch.
    Und doch nicht! Der Ehrgeiz nagte heimlich an seinem Herzen.
Homais sehnte sich nach dem Kreuz der Ehrenlegion. Verdient hätte
er es zur Genüge, meinte er. Erstens hatte er sich während der
Cholera durch grenzenlosen Opfermut ausgezeichnet. Zweitens hatte
er – und zwar auf seine eigenen Kosten – verschiedene gemeinnützige
Werke veröffentlicht, beispielsweise die Schrift »Der Apfelwein.
Seine Herstellung und seine Wirkung«, sodann seine »Abhandlung über
die Reblaus«, die er dem Ministerium unterbreitet hatte, ferner
seine statistische Veröffentlichung, ganz abgesehen von seiner
ehemaligen Prüfungsarbeit. Er zählte sich das alles auf. »Dazu bin
ich auch noch Mitglied mehrerer wissenschaftlicher Gesellschaften.«
In Wirklichkeit war es nur eine einzige.
    »Eigentlich müßte es schon genügen,« rief er
und warf sich selbstbewusst in die Brust, »daß ich mich bei den
Feuersbrünsten hervorgetan habe!«
    Er begann Fühlung mit der Regierung zu suchen. Zur Zeit der
Wahlen erwies er dem Landrat heimlich große Dienste. Schließlich
verkaufte und prostituierte er sich regelrecht. Er reichte ein
Immediatgesuch an Seine Majestät ein, worin er ihn
alleruntertänigst bat, »ihm Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.«
Er nannte ihn »unsern guten König« und verglich ihn mit Heinrich
dem Vierten.
    Jeden Morgen stürzte er sich auf die Zeitung, um seine Ernennung
zu lesen; aber sie wollte nicht kommen. Sein Ordenskoller ging so
weit, daß er in seinem Garten ein Beet in Form des Kreuzes der
Ehrenlegion anlegen ließ, auf der einen Seite von Geranien umsäumt,
die das rote Band vorstellten. Oft umkreiste er dieses bunte Beet
und dachte über die Schwerfälligkeit der Regierung und über den
Undank der Menschen nach.
    Aus Achtung für seine verstorbene Frau, oder weil er aus emer
Art Sinnlichkeit noch etwas Unerforschtes vor sich haben wollte,
hatte Karl das geheime Fach des Schreibtisches aus Polisanderholz,
den Emma benutzt hatte, noch nicht geöffnet. Eines Tages setzte er
sich endlich davor, drehte den Schlüssel um und zog den Kasten
heraus. Da lagen sämtliche Briefe Leos. Diesmal war kein Zweifel
möglich. Er verschlang sie von der ersten bis zur letzten Zeile.
Dann stöberte er noch in allen Winkeln, allen Möbeln, allen
Schiebfächern, hinter den Tapeten, schluchzend, stöhnend,
halbverrückt. Er entdeckte eine Schachtel und stieß sie mit einem
Fußtritt auf. Rudolfs Bildnis sprang ihm buchstäblich ins Gesicht.
Es lag neben einem ganzen Bündel von Liebesbriefen.
    Bovarys Niedergeschlagenheit erregte allgemeine
Verwunderung.
    Er ging nicht mehr aus, empfing niemanden
und weigerte sich sogar, seine Patienten zu besuchen. Dadurch
entstand das Gerücht, daß er sich einschließe, um zu trinken.
Neugierige aber, die hin und nieder den Kopf über die Gartenhecke
reckten, sahen zu ihrer Überraschung, wie der Menschenscheue in
seinem langen Bart und in schmutziger Kleidung im Garten auf und ab
ging und laut weinte.
    An Sommerabenden nahm er sein Töchterchen mit sich hinaus auf
den Friedhof. Erst spät in der Nacht kamen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher