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Madame Bovary

Madame Bovary

Titel: Madame Bovary
Autoren: Gustave Flaubert
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Gekicher wieder aufzukommen, wie eine Rakete, die im
Verlöschen immer wieder noch ein paar Funken sprüht.
    Währenddem ward unter einem Hagel von Strafarbeiten die Ordnung
in der Klasse allmählich wiedergewonnen, und es gelang dem Lehrer,
den Namen »Karl Bovary« festzustellen, nachdem er sich ihn hatte
diktieren, buchstabieren und dann noch einmal im ganzen wiederholen
lassen. Alsdann befahl er dem armen Schelm, sich auf die Strafbank
dicht vor dem Katheder zu setzen. Der Junge wollte den Befehl
ausführen, aber kaum hatte er sich in Gang gesetzt, als er bereits
wieder stehen blieb.
    »Was suchst du?« fragte der Lehrer.
    »Meine Mü…«, sagte er schüchtern, indem er mit scheuen Blicken
Umschau hielt.
    »Fünfhundert Verse die ganze Klasse!«
    Wie das 
Quos ego
 bändigte die Stimme, die
diese Worte wütend ausrief, einen neuen Sturm im Entstehen.
    »Ich bitte mir Ruhe aus!« fuhr der empörte Schulmeister fort,
während er sich mit seinem Taschentuche den Schweiß von der Stirne
trocknete. »Und du, du Rekrut du, du schreibst mir zwanzigmal den
Satz auf: 
Ridiculus sum!
« Sein Zorn ließ nach. »Na,
und deine Mütze wirst du schon wiederfinden. Die har dir niemand
gestohlen.«
    Alles ward wieder ruhig. Die Köpfe versanken in den Heften, und
der Neuling verharrte zwei Stunden lang in musterhafter Haltung,
obgleich ihm von Zeit zu Zeit mit einem Federhalter abgeschwuppte
kleine Papierkugeln ins Gesicht flogen. Erwischte sich jedesmal mit
der Hand ab, ohne sich weiter zu bewegen noch die Augen
aufzuschlagen.
    Abends, im Arbeitssaal, holte er seine Ärmelschoner aus seinem
Pult, brachte seine Habseligkeiten in Ordnung und liniierte sich
sorgsam sein Schreibpapier. Die andern beobachteten, wie er
gewissenhaft arbeitete; er schlug alle Wörter im Wörterbuche nach
und gab sich viel Mühe. Zweifellos verdankte er es dem großen
Fleiße, den er an den Tag legte, daß man ihn nicht in der Quinta
zurückbehielt; denn wenn er auch die Regeln ganz leidlich wußte, so
verstand er sich doch nicht gewandt auszudrücken. Der Pfarrer
seines Heimatdorfes hatte ihm kaum ein bißchen Latein beigebracht,
und aus Sparsamkeit war er von seinen Eltern so spät wie nur
möglich auf das Gymnasium geschickt worden.
    Sein Vater, Karl Dionys Barthel Bovary, war Stabsarzt a.D.;
er hatte sich um 1812 bei den Aushebungen etwas zuschulden kommen
lassen, worauf er den Abschied nehmen mußte. Er setzte nunmehr
seine körperlichen Vorzüge in bare Münze um und ergatterte sich im
Handumdrehen eine Mitgift von sechzigtausend Franken, die ihm in der Person der Tochter eines
Hutfabrikanten in den Weg kam. Das Mädchen hatte sich in den
hübschen Mann verliebt. Er war ein Schwerenöter und Prahlhans, der
sporenklingend einherstolzierte, Schnurr- und Backenbart trug, die
Hände voller Ringe hatte und in seiner Kleidung auffällige Farben
liebte. Neben seinem Haudegentum besaß er das gewandte Getue eines
Ellenreiters. Sobald er verheiratet war, begann er zwei, drei Jahre
auf Kosten seiner Frau zu leben, aß und trank gut, schlief bis in
den halben Tag hinein und rauchte aus langen Porzellanpfeifen.
Nachts pflegte er sehr spät heimzukommen, nachdem er sich in
Kaffeehäusern herumgetrieben hatte. Als sein Schwiegervater starb
und nur wenig hinterließ, war Bovary empört darüber. Er übernahm
die Fabrik, büßte aber Geld dabei ein, und so zog er sich
schließlich auf das Land zurück, wovon er sich goldne Berge
erträumte. Aber er verstand von der Landwirtschaft auch nicht mehr
als von der Hutmacherei, ritt lieber spazieren, als daß er seine
Pferde zur Arbeit einspannen ließ, trank seinen Apfelwein
flaschenweise selber, anstatt ihn in Fässern zu verkaufen, ließ das
fetteste Geflügel in den eignen Magen gelangen und schmierte sich
mit dem Speck seiner Schweine seine Jagdstiefel. Auf diesem Wege
sah er zu guter Letzt ein, daß es am tunlichsten für ihn sei, sich
in keinerlei Geschäfte mehr einzulassen.
    Für zweihundert Franken Jahrespacht mietete er nun in einem
Dorfe im Grenzgebiete von Caux und der Pikardie ein Grundstück,
halb Bauernhof, halb Herrenhaus. Dahin zog er sich zurück
fünfundvierzig Jahre alt, mit Gott und der Welt zerfallen, gallig
und mißgünstig zu jedermann. Von den Menschen angeekelt, wie er
sagte, wollte er in Frieden für sich hinleben.
    Seine Frau war dereinst toll verliebt in ihn gewesen. Aber unter
tausend Demütigungen starb ihre Liebe doch rettungslos.
    Ehedem heiter, mitteilsam und herzlich, war
sie
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