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Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Titel: Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)
Autoren: Gustave Flaubert
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schmollender Trägheit dahindämmerte und bloß erwachte, um ihr etwas Unfreundliches zu sagen, rauchend vor dem Kaminfeuer saß und in die Asche spuckte.
    Als sie ein Kind bekam, musste es zu einer Amme gegeben werden. Wieder bei ihnen zu Hause, wurde der Bengel verwöhnt wie ein Prinz. Seine Mutter fütterte ihn mit eingemachtem Obst, sein Vater ließ ihn barfuß laufen und sagte sogar, um den Philosophen zu spielen, er könne genausogut nackt bleiben wie Tierkinder. In Widerspruch zu den mütterlichen Neigungen hatte er ein männliches Kindheitsideal im Kopf, nach dem er seinen Sohn zu erziehen trachtete, er wollte ihn hart anfassen, mit spartanischer Strenge, um seine Konstitution zu kräftigen. Er schickte ihn ohne Feuer zu Bett, brachte ihm bei, Rum in großen Schlucken zu trinken und Prozessionen zu beschimpfen. Da der Kleine aber von Natur aus friedfertig war, schlugen seine Bemühungen fehl. Die Mutter schleppte ihn ständig mit sich herum; sie bastelte ihm Pappfiguren, erzählte ihm Geschichten, unterhielt sich mit ihm in endlosen Monologen voll melancholischer Scherze und plappernder Schmeicheleien. In der Einsamkeit ihres Lebens übertrug sie auf das Haupt dieses Kindes all ihre verflogenen, zu Bruch gegangenen Wünsche. Sie träumte von hohen Stellungen, sah ihn groß, schön, geistreich, gutbestallt, im Brücken- und Straßenbauwesen oder im Richteramt. Sie brachte ihm Lesen bei und sang mit ihm an einem alten Klavier sogar zwei oder drei kleine Liebeslieder. Doch Monsieur Bovary, der nichts übrig hatte für Literatur, sagte zu all dem, es sei die Mühe nicht wert! Würden sie jemals genug Geld haben, um ihm die staatlichen Schulen zu bezahlen, ein Amt zu kaufen oder ein Geschäft? Außerdem, mit Frechheit kommt ein Mann in der Welt immer nach oben . Madame Bovary biss sich auf die Lippen, und der Junge strolchte durchs Dorf.
    Er lief den Ackersleuten hinterher und warf Erdklumpen nach den Raben, die davonflogen. Er aß Brombeeren an den Straßengräben, hütete mit einem langen Stock die Puter, half beim Heuwenden, rannte durch den Wald, spielte an Regentagen unterm Kirchenportal Himmel und Hölle und bettelte an hohen Festtagen, bis der Kirchdiener ihn die Glocken läuten ließ, so dass er sich mit dem ganzen Körper an das lange Seil hängen konnte und vom ihm hochgezogen wurde in seinem Schwung.
    So wuchs er wie eine Eiche. Er hatte jetzt kräftige Hände, gesunde Farben.
    Als er zwölf war, erreichte seine Mutter, dass er Unterricht bekam. Er wurde dem Pfarrer anvertraut. Aber die Stunden waren so kurz und unregelmäßig, dass sie kaum etwas nützten. Sie wurden in der Sakristei abgehalten, wann gerade Zeit war, im Stehen, flüchtig, zwischen Taufe und Begräbnis; oder der Pfarrer ließ seinen Schüler nach dem Angelus holen, wenn er nicht mehr aus dem Haus musste. Sie gingen hinauf in sein Zimmer, setzten sich: Mücken und Nachtfalter umflatterten die Kerze. Es war heiß, das Kind schlief ein; und der gute Mann döste vor sich hin, die Hände überm Bauch gefaltet, und schnarchte bald mit offenem Mund. Ein andermal, wenn der Herr Pfarrer auf dem Heimweg von einem Kranken in der Umgebung, dem er die Letzte Ölung gespendet hatte, Charles über die Felder streunen sah, dann rief er ihn zu sich, tadelte ihn eine Viertelstunde, nutzte die Gelegenheit und ließ ihn unter einem Baum Verben konjugieren. Der Regen unterbrach sie oder ein Bekannter, der vorüberkam. Ansonsten war er stets mit ihm zufrieden, sagte sogar, der junge Mann besitze ein gutes Gedächtnis.
    So konnte es nicht weitergehen mit Charles. Madame wurde energisch. Weil er sich schämte oder weil er kapitulierte, gab Monsieur widerstandslos nach, und man wartete noch das eine Jahr, bis der Junge die Erstkommunion hinter sich hatte.
    Nochmals vergingen sechs Monate; und im folgenden Jahr wurde Charles endgültig aufs Collège nach Rouen geschickt, wo sein Vater ihn persönlich gegen Ende Oktober hinbrachte, um die Zeit des Romanus-Marktes.
    Heute wäre es keinem von uns mehr möglich, sich auch nur im geringsten an ihn zu erinnern. Er war ein Bursche mit ausgeglichenem Temperament, der in den Pausen spielte, im Arbeitssaal lernte, im Unterricht zuhörte, im Schlafsaal gut schlief, im Speisesaal gut aß. Seine Vertrauensperson am Ort war ein Eisenwarengrossist aus der Rue Ganterie, der ihn einmal im Monat abholte, sonntags, wenn sein Laden geschlossen war, ihn auf einen Spaziergang zum Hafen schickte, die Schiffe anschauen, und gegen
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