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Madam Wilkin's Palazzo

Madam Wilkin's Palazzo

Titel: Madam Wilkin's Palazzo
Autoren: Charlotte MacLeod
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Schändung
mit großer Fassung. Selbst durch eine dicke Schicht aus Staub und altem Firnis
war die Dame übrigens eine beträchtliche Augenweide.
    »Wenn man eine Vorliebe für dicke
Frauen hat, mag sie ja ganz nett sein«, bemerkte Sarah verächtlich. »Aber jetzt
verraten Sie mir mal, warum Sie zu diesem Wächter Brown so unfreundlich waren.«
    »Weil Brown ein Lügner ist und noch
dazu ein verdammt schlechter. Er behauptet, jemand hätte ihn von hinten
niedergeschlagen, dabei lag er auf dem Rücken, als wir ihn gefunden haben. Er
war so fest unter der Bank eingeklemmt, daß wir sie hochheben mußten, um ihn zu
befreien. Die angeblichen Diebe, die doch so sehr in Eile waren, daß sie ihre
ganze Beute zurückließen, hätten sich demnach also die Zeit genommen, ihn
umzudrehen, das schwere Chorgestühl hochzuheben und auf ihn draufzusetzen. Oder
sollen wir glauben, er hätte seinen fetten Wanst eingezogen und sich selbst mit
seinen eigenen Händen unter die Bank bugsiert, ohne daß ihm jemand geholfen
hat?«
    »Aber warum sollte er so etwas denn
tun?«
    »Vielleicht hat er gesehen, wie
Witherspoon über das Geländer gestoßen wurde, es mit der Angst zu tun bekommen
und sich versteckt? Vielleicht hat er es auch selbst getan und sich so ein
Alibi zu verschaffen versucht? Vielleicht war der Mörder zufällig ein Freund
von ihm und hat ihm geraten, sich dünne zu machen, damit er nicht mit in die
Sache hineingezogen wurde?«
    Brooks Kelling bewegte zustimmend sein
gepflegtes graues Haupt. »Genau die Art von scharfsinniger Analyse, die ich von
Ihnen erwartet habe, Bittersohn. Natürlich erzählt Brown Märchen. Sogar Sarah
hat darauf hingewiesen, daß es absolut unsinnig ist, an einem Sonntagnachmittag
mit so viel Publikumsverkehr Kirchensilber zu stehlen. Todsicher hat Brown das
ganze Zeug selbst dort hingelegt. Todsicher sind seine Fingerabdrücke darauf,
aber die zählen schließlich nicht, weil er immer behaupten kann, er habe das
Silber während des Dienstes angefaßt.«
    »Wie würden Sie Brown beschreiben,
Kelling?«
    »Schwammig. Schwammiger Körper und noch
viel schwammigeres Gehirn. Dämlich genug, um sich von jemandem mißbrauchen zu
lassen. Aber zu dämlich, um einen guten Komplizen abzugeben. Ich nehme an,
dieser Jemand hat ihm gesagt, er soll einen Überfall Vortäuschen, hat aber
vergessen, ihn darüber aufzuklären, daß man meist nach vorn fällt, wenn man von
hinten eins über den Schädel bekommt.«
    »Ist irgendwer hier besonders
intelligent?«
    »Mr. Fitzroy, der Hausverwalter,
verfügt über einen äußerst scharfen Verstand. Zufällig hat er aber die ganze
Woche Urlaub, ein Umstand, dem man Bedeutung beimessen kann oder aber auch
nicht. Vieuxchamp zeigt gelegentlich Anflüge von Intelligenz. Was man von Jimmy
Agnew, dem Mann, den ich hier vertrete, allerdings nicht behaupten kann. Und
Melanson würde nicht mal wagen, ohne Erlaubnis von oben zu denken.«
    »Wer ist Melanson?«
    »Ein absoluter Hasenfuß. Er hat seinen
Posten am Ende des Flurs hier auf dieser Etage bei der italienischen Keramik.
Keine Menschenseele, die auch nur halbwegs normal ist, würde zwar auf die Idee
kommen, diese abscheulichen Dinger zu klauen, aber Melanson lebt in ständiger
Angst, daß irgendein militanter Ästhet mit einem Knüppel zu ihm hereinstürmt
und die ganze Sammlung zertrümmert, um Boston zu verschönern. Ich bin sicher,
daß er immer noch auf seinem Posten steht. Der rührt sich erst von der Stelle,
wenn es ihm jemand erlaubt.«
    »Dann wollen wir ihm mal kurz einen
Besuch abstatten. Was fehlt Agnew eigentlich?«
    »Angeblich irgendein Bazillus, aber
wahrscheinlich hat er die Nachwirkungen von einer Überdosis Whiskey zu
verkraften.«
    »Wieso hat man denn gerade Sie dazu
auserkoren, ihn zu vertreten?«
    »Jimmys Schwester Dolores hat mich
gefragt. Dolores und ich sind alte Freunde.«
    »Was hat Dolores Agnew denn mit der
Einstellung von Wachen zu tun?«
    »Ihr richtiger Name ist Dolores Agnew
Tawne, verwitwet seit Gott weiß wie lange. Sie ist hier sozusagen das Öl auf
den quietschenden Türangeln. Sie macht die Bilder sauber, staubt die Statuen
ab, poliert das Silber, verarztet die Pfauen, schikaniert die Gärtner,
arrangiert die Blumen, macht die Kerzen in der Kapelle an und weiß der Kuckuck
was sonst alles. Ich vermute, daß Jimmy es einzig und allein ihr zu verdanken
hat, daß er noch hier arbeitet. Er ist ein sehr netter Kerl, aber weiß Gott
kein besonders fleißiger Mensch. Dolores allerdings ist das
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