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Madam Wilkin's Palazzo

Madam Wilkin's Palazzo

Titel: Madam Wilkin's Palazzo
Autoren: Charlotte MacLeod
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abzuhauen und die Beute liegenzulassen.«
    »Das klingt mir aber nicht besonders
logisch«, meinte Sarah. »Warum sollte jemand all diese unhandlichen Kelche und
das ganze Zeug mitten am hellichten Tag aus einem Gebäude herausschmuggeln
wollen, in dem es vor Besuchern nur so wimmelt? Die hätten doch wissen müssen,
daß so etwas nie gutgehen würde.«
    »Sie hätten es einschmelzen können.«
    »Und wo? Vielleicht über den kleinen
Votivkerzen?«
    »Ja, woher soll ich denn das wissen?
Ich habe nur das gesagt, was wohl auch passiert ist.«
    »Sehr freundlich von Ihnen«, knurrte
Bittersohn. »Vieuxchamp, sind Sie bitte so nett und gehen nach unten in den Hof
und bitten jemanden von der Polizei, zu uns hochzukommen? Brown, warum sind Sie
übrigens so sicher, daß Witherspoon den Krach in der Kapelle gehört hat? Der
Tizian-Saal ist immerhin genau auf der anderen Seite des Großen Salons und
außerdem ein ganzes Stück entfernt, oder nicht?«
    »Das ist richtig, aber — «
    »Haben Sie ihn denn gesehen?«
    »Nicht, daß ich mich erinnere.«
    »Ist er denn öfter herumgewandert?«
    »Joe? Eigentlich nicht, aber es ist
durchaus möglich, oder? Vielleicht sind die Diebe ja auch zu ihm hineingerannt,
nachdem sie mich niedergeschlagen haben, und Joe hat ihre Gesichter gesehen,
und sie haben es mit der Angst bekommen und ihn umgebracht. Woher soll ich das
schließlich wissen? Ich war doch völlig weg vom Fenster.«
    »Sie sagen immer ›sie‹, Brown. Wie
viele Silberdiebe waren es denn?«
    »Gott im Himmel, das weiß ich nicht.
Vielleicht zwei oder drei.«
    »Warum sind Sie so sicher, daß es nicht
nur einer war? Sie haben doch schließlich niemanden gesehen, oder irre ich
mich?«
    »Ich habe wahrscheinlich Schritte
hinter mir gehört.«
    »Und warum haben Sie sich nicht
umgedreht?«
    »Allmählich reicht es mir aber. Wer
sind Sie überhaupt? Lassen Sie mich in Ruhe. Ich habe Kopfschmerzen. Ich sage
kein Wort mehr, bis die Polizei da ist.«
    Der verletzte Wächter pflanzte sich auf
die wurmstichige Bank, setzte seine beiden großen Füße fest auf den Mosaikfußboden
und preßte seine fleischigen Lippen zu einem erstaunlich schmalen Strich
zusammen. Die anderen standen um ihn herum und beobachteten ihn, bis ein
genervt aussehender junger Mann in einem verknitterten Regenmantel mühsam die
drei langen Treppen des großen Treppenhauses heraufkam.
    »Du liebe Zeit, Bittersohn, was machen
Sie denn hier?« stieß er freundlich hervor. »Ich wußte doch genau, daß ich
heute morgen besser im Bett geblieben wäre. Wieder mal die Aktbilder
angestarrt, was?«
    »Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit darauf
lenken, daß eine Dame anwesend ist«, sagte Bittersohn äußerst würdevoll. »Mrs.
Kelling, darf ich Ihnen Lieutenant Davies vorstellen?«
    »Guten Tag.« Sarah reichte ihm die
Hand. »Erstaunlich, daß wir uns noch nicht kennen. Ich dachte schon, ich hätte
inzwischen jeden einzelnen Polizisten hier kennengelernt.«
    »Oh, diese Mrs. Kelling sind Sie also?«
Lieutenant Davies schüttelte ihre kleine Hand so vorsichtig, als habe er Angst,
sie könnte abbrechen. Wenn man bedachte, was den Kellings in der letzten Zeit
alles zugestoßen war, konnte man nicht behutsam genug sein. »Jetzt verstehe ich
auch endlich, warum die ganzen Jungs in Sie verliebt sind.«
    »Tatsächlich? Das finde ich aber sehr
schmeichelhaft. Zum Glück bin ich diesmal nur eine unschuldige Zuschauerin. Mr.
Bittersohn hatte Freikarten für das Konzert und hat mich eingeladen
mitzukommen.«
    »Nicht schlecht, Bittersohn, wenn man
bedenkt, daß die Konzerte sowieso frei sind und es deshalb so etwas wie
Freikarten überhaupt nicht gibt.«
    »Herzlichen Dank für die freundliche
Aufklärung, Davies. Erinnern Sie mich daran, daß ich Ihnen bei Gelegenheit auch
mal einen Gefallen tue. Wo wir gerade von Konzerten sprechen, dieser Gentleman
auf der Bank hat ein Lied auf den Lippen, aber er möchte nur für Sie singen. Mich
kann er offenbar nicht leiden.«
    »Wer kann das schon? Aber bleiben Sie
ruhig noch ein bißchen hier.«
    »Selbstverständlich. Stört es Sie, wenn
der Cousin von Mrs. Kelling uns ein paar von den unbezahlbaren Kunstschätzen
vorführt? Ich würde mir gern mal den großen Tizian ansehen.«
    »Das dachte ich mir schon«, sagte
Brooks und führte sie bereitwillig zu dem Bild. Vielleicht war es wirklich
Tizian gewesen, der dieses beliebte Motiv auf die Leinwand gebannt hatte,
vielleicht aber auch nicht. Jedenfalls ertrug Lucretia offenbar ihre
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