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Madam Baeurin

Madam Baeurin

Titel: Madam Baeurin
Autoren: Lena Christ
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Standesbewußtseins erhaben über jede Berufsarbeit, hatte nicht das Zeug in sich, durch eigene Kraft ihren Kindern mehr als des Tages Notdurft zu bieten.
    Und als ihre beiden größeren Töchter das Glück hatten, unter die Haube zu kommen, da wäre es der Witwe wohl schlechterdings unmöglich gewesen, ihnen nur eine einigermaßen standesgemäße Aussteuer mitzugeben, wenn nicht Fräulein Adele auch hier helfend eingegriffen und ihre Sparpfennige geopfert hätte.
    Denn die beiden Mädchen wurden von Kavalieren geheiratet, die zwar ziemlich betagt, aber sehr vornehm und vermögend waren ...
    Also war nur mehr die Jüngste, Rosalie, im Hause.
    Aber auch um diese Tochter brauchte die Rätin sich nicht viel zu sorgen; Tante Adele hatte auch hier ein offenes Auge und ein gutes Herz für die Bedürfnisse des jungen Mädchens.
    So kümmert sich also die Schwägerin fast mehr als die Mutter um das Wohl des Hauses und erntet dafür manches Dankeswort von der Rechtsrätin.
    Trotz ihrer Dankbarkeit aber kann diese sich nicht recht erwärmen für Adele. Eine schier unüberbrückbare Kluft steht zwischen ihnen, und es gibt alle Augenblicke kleine Unstimmigkeiten und Reibereien unter ihnen.
    Dies ist aber ganz natürlich; denn erstlich ist Fräulein Adele bürgerlich – absolut gut bürgerlich. Frau Rechtsrat Scheuflein aber ist Aristokratin vom Kopf bis zu den Zehen – trotz ihrer Armut.
    Und Fräulein Adele ist keine Freundin des Adels, ganz besonders des verarmten; wie sie ja überhaupt alle sogenannten Titel ohne Mittel verabscheut und alle Vornehmtuerei verachtet.
    Da ist nun vor allem die Lebenshaltung der Rechtsrätin, die ihren Unwillen und Widerspruch fast täglich herausfordert.
    Wie man als vermögenslose Witwe eine vornehme Wohnung im teuersten Stadtviertel bewohnen kann, das ist ihr ganz rätselhaft, und ebensowenig begreift sie, daß die Schwägerin immer noch einen Salon, ein Speisezimmer, ein »Boudoir« haben muß.
    Schon das Wort Boudoir treibt ihr die Galle ins Blut und die Zornesröte auf die Wangen.
    Daß man echtes Porzellan und gutes Silberzeug, feinen Damast und teures Kristall auf dem Eßtisch hat, ist ja auch in guten Bürgerkreisen Brauch und ein Zeichen behäbigen Reichtums. Aber alles dies ist nur schön, wenn eben auch der Inhalt dieser Platten und Schüsseln ihrer Beschaffenheit entspricht.
    Aber so, wie es bei der Rechtsrätin Brauch ist: außen hui und innen pfui – so hatten es die Scheufleins nie gehalten! Da gab es an den Wochentagen Suppe, Fleisch und Gemüse; an Sonntagen aber bog sich schier die Tischplatte unter der Last des schweren Bratens, all der Zutaten und der leckeren Nachspeisen!
    Eben kommt die gute alte Dame wieder in die Küche und trifft Rosalie, die jüngste Tochter des seligen Rechtsrats, beim Kochen an.
    Sie hebt den Deckel von einem dampfenden Hafen und zieht die Nase hoch: »Was gibt's denn heut wieder Grünes, Roserl? Das riecht ja wie meine Heublumenbäder!«
    Ihre Nichte schält eben Kartoffeln und erwidert etwas verlegen: »Ach, du weißt ja, Tante Adele: nichts Besonderes. Mangoldspinat und Kartoffelschnitz.«
    Und mit einem Seufzer fügt sie hinzu: »Wenn's doch endlich mal soweit wär', daß wir wieder zu Schiermosers gingen! In der Sommerfrische konnte man sich doch wenigstens satt essen um sein Geld!«
    Die Tante nickt. Aber sie kann es nicht unterlassen zu sagen: »Das könntet ihr auch hier ganz gut, wenn ihr nicht mit eurer überspannten Vornehmheit euch selbst und die anderen belügen würdet! Aber nein, da muß der ›Jour fixe‹ her und müssen Seidenfähnchen her, und die Loge im Theater muß auch her ... Ach was! – Ich mag gar nimmer reden! Bei deiner Mutter ist ja doch Tauf und Chrisam verloren!«
    Sie geht erregt aus der Küche.
    Aber nachdem sie wieder etwas ruhiger geworden ist, fällt ihr der Seufzer ihrer Nichte wieder ein: »Wenn wir doch wieder bei Schiermosers wären!«
    Natürlich! Das ist doch das einzige Glück, daß man den Schiermoserhof als Zuflucht hat! – Daß man sich jeden Sommer bei Milchschüsseln und Schmalztöpfen, bei Eiern und Nudeln wieder erholen kann von der Traurigkeit des armseligen Stadtwinters! Sofort wird sie mit der Schwägerin reden! – Sofort!
    Und sie läuft augenblicklich hinüber in das Speisezimmer, wo die Rätin eben das Silberbesteck aus dem Schrank nimmt.
    »Schwägerin!«
    »Adele?«
    »Ich hätt' eine Frage.«
    Die Rätin setzt ihren goldenen Kneifer auf die etwas große Hakennase und schielt hinüber zur
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