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Machtrausch

Machtrausch

Titel: Machtrausch
Autoren: Rainer C. Koppitz
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die Anreise zu diesem für unsere Zukunft so wichtigen Programmauftakt. Mein besonderer Dank gilt jedoch Herrn Dr. Glock und seiner Mannschaft, die den Stein so wirkungsvoll ins Rollen gebracht haben … Meine Damen, meine Herren, ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag .« Sprach’s und verließ den Konferenzsaal. In Anton Glocks Magen löste sich ein großer, rostiger Metallklumpen in Luft auf. Er hatte eine drohende, totale Niederlage erfolgreich abgewendet und damit in den Augen der Anwesenden deutlich an Respekt gewonnen. Den Rest des Tages würde er brauchen, um seinen Adrenalinspiegel wieder herunterzufahren.

3
    Barbara Glock zuckelte mit ihrem kleinen Fiat-Lieferwagen über die Landstraße im Landkreis Rosenheim und ließ ihre Gedanken schweifen. Zwischen ihr und ihrem Mann Anton gab es selten Streit, außer über politische Ansichten. Seit sie vor knapp vier Jahren geheiratet hatten, führten sie das, was man eine harmonische Ehe nennt. Harmonisch, aber aus Barbaras Sicht nicht langweilig. Dafür sorgte schon ihre komplett unterschiedliche Herangehensweise an das Thema Beruf. Anton wollte schlicht Karriere machen und hatte dies auch nie verleugnet. Ob das nun in einem Produktionsbetrieb für Tiernahrung oder in einem Bankkonzern passierte, war ihm schlicht einerlei. Seine Loyalität zum jeweiligen Arbeitgeber war direkt abhängig von der ihm dort ermöglichten Geschwindigkeit nach oben. Eines von Glocks Gesetzen, mit denen ihr Mann sie regelmäßig an seinen Einsichten über das Leben teilhaben ließ, besagte in etwa: Unternehmen opfern ihre Mitarbeiter ohne zu zögern, wenn es ihnen wirtschaftliche Vorteile bringt. Die Intelligenteren unter den Angestellten wissen das und lachen sich auf dem Firmenklo über die Unternehmensleitsätze kaputt, in denen Mitarbeiter als wichtigstes Kapital der Firma gepriesen werden. Mit anderen Worten: Die Firmen behandelten einen Mitarbeiter genau so lange gut, wie sie daraus wirtschaftliche Vorteile zogen und ließen ihn fallen, sobald dies nicht mehr der Fall war. Die Mitarbeiter taten darum gut daran, jegliche Loyalität gegenüber der Firma über Bord zu werfen und ihr nur so lange treu zu bleiben, bis sich etwas Besseres fand. Barbara war diese Einstellung zu Beginn ihrer Beziehung äußerst suspekt gewesen, bis sie schließlich bemerkte, dass sich sein widerlicher Opportunismus strikt auf den Beruf beschränkte. Sie selbst sprach ein Wort wie Karriereplanung voller Verachtung aus. Als für den frisch promovierten Anton die Entscheidung anstand, sich bei einem Unternehmen zu bewerben, hatte sie eifrig mit ihm diskutiert und mit ihren Meinungen zu einzelnen Firmen nicht hinter dem Berg gehalten. Er hatte über private Beziehungen schnell das verlockende Angebot einer großen Textilfirma erhalten, die dortige Controllingabteilung aufzubauen. Barbara hatte ihr Veto eingelegt, da die Firma im Billigsegment tätig war und ihre konkurrenzlos guten Preise nur durch die Inkaufnahme von Kinderarbeit in Drittweltstaaten halten konnte. Zumindest war das die Meinung in Barbaras Bekanntenkreis gewesen. Daraufhin hatte Glock sie um konkrete Vorschläge gebeten, welche großen Firmen sie ihm denn guten Gewissens für seinen Broterwerb empfehlen könne. Sie hatte recherchiert und eine Liste akzeptabler Arbeitgeber erstellt: Das Familienunternehmen Schuegraf war dabei gewesen. Neben Siemens, Allianz, der Deutschen Post und ein paar langweiligen Mittelständlern. Barbara selbst hatte Einzelhandelskauffrau bei einer der großen deutschen Lebensmittelketten gelernt und hatte schließlich angewidert einen Abschluss mit hervorragender Bewertung abgeliefert. Doch statt, wie ursprünglich geplant, ein Studium anzuhängen, zog sie die Konsequenzen aus all den Aha-Effekten der Ausbildungszeit und beschloss, es den Handelskonzernen mit dem dort erworbenen Handwerkszeug zu zeigen: Sie hatte die kleine Erbschaft ihres jung verstorbenen Vaters verwendet, um einen kleinen Lebensmittelladen in München zu kaufen, dessen altgediente Besitzer finanziell vor dem ›Aus‹ standen.
    Seitdem versuchte sie den Laden wieder auf Vordermann zu bringen, schloss aber bis jetzt immer noch jeden Monat mit einem dicken Minus ab, das durch Antons Gehalt finanziert wurde. Ein Thema, das ihr Mann lieber nicht ansprach. Als sie ihn kennen gelernt hatte, befand sie sich gerade im letzten Ausbildungsjahr, und er schrieb fleißig an seiner Doktorarbeit. Über irgendein Thema, das sie noch jetzt, elf Jahre später, zum
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