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Machtrausch

Machtrausch

Titel: Machtrausch
Autoren: Rainer C. Koppitz
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Aluflasche auf seinem Rücken aber nicht ausreichend umwenden. Plötzlich umklammerte etwas seine Beine, so dass er sich nicht mehr bewegen konnte, während er gleichzeitig eine Bewegung in seiner Rückengegend zu spüren vermeinte. Panik erfasste ihn und er drehte und wendete sich ruckartig hin und her, ohne jedoch die Umklammerung an seinen Beinen lösen zu können. Mit der linken Hand versuchte er, hinter sich zu langen, während ihn in der rechten Hand die große Tauchlampe behinderte, die mit einer eng sitzenden Schlaufe am Handgelenk befestigt war. Er atmete hastig und alle möglichen wirren Gedanken schossen ihm in lähmender Angst durch den Kopf. Versuchte man ihn umzubringen? Er strampelte wie ein Wahnsinniger und stieß mit den nackten Händen immer wieder an den rauen Fels. Über Wasser würde man schreien, dachte er in Panik, und versuchte, seinen für ihn unsichtbaren Gegner durch Ausschlagen mit den Flossen loszuwerden. Doch der Klammergriff um seine Beine wurde eher noch fester. Im selben Moment merkte er, wie es immer mühsamer wurde, Luft aus dem Atemgerät zu ziehen. Hektisch sog er so viel des Atemgases aus der Flasche, wie nur möglich. Doch trotz heftigem Ziehen kam kaum noch etwas in seinen Lungen an. Jemand drehte ihm langsam an der Flasche auf seinem Rücken das Ventil zu! Alle Reserven mobilisierend bäumte er sich in der engen Höhle so weit wie möglich auf, doch der eiserne Griff um seine Beine verstärkte sich nur. Da blieb die Luft ganz aus und er wusste, dass dies das Ende bedeutete. In einem verzweifelten Versuch, sich rückwärts seinem Gegner entgegen zu schieben, schlug er sich die Handgelenke an der Felswand blutig. Gegen seinen eigenen Willen riss er sich das jetzt nutzlose Atemgerät reflexartig aus dem Mund, schluckte Salzwasser, sah im Strahl der Lampe seinen Ehering blitzen, hustete Salzwasser in Salzwasser aus, schluckte erneut, sah schwarz vor Augen, erschlaffte. Er dachte noch an Elisabeth, die ab jetzt alleine sein würde, und dann spürte er nichts mehr.

2
    Dr. Anton Glock brauchte eine Pause. Eines seiner zahlreichen Gesetze – allesamt Maximen, die er aus seiner Beobachtung des prallen Lebens ableitete – hieß: Wenn man in einer wichtigen Besprechung plötzlich an Flucht dachte, hatte dies meist einen wichtigen Grund, und man tat gut daran, sich die Erfüllung dieses Wunsches nicht zu versagen. Er verließ den Sitzungssaal, ging in das nüchterne Treppenhaus und zündete sich eine Zigarette an. Man konnte ihn als Gelegenheitsraucher bezeichnen. An manchen Tagen konsumierte er gierig ein halbes Päckchen, dann wieder wochenlang keine einzige Zigarette. Der Blick aus dem Fenster zeigte viel Grün und die auf dem weiten Gelände locker verstreuten Verwaltungsgebäude der Konzernzentrale. Weiße Stahl- und Glasbauten eines Stararchitekten aus den Siebzigerjahren, die technische Kompetenz, Modernität und Macht des Konzerns betonen sollten. Im Sitzungssaal wurde weiterhin heftig diskutiert. Heute hatte man die Chefs der elf wichtigsten Landesgesellschaften eingeladen, um ihnen einen Plan zur deutlichen Steigerung der Vertriebseffizienz in den nächsten Jahren vorzustellen. Dies hieß: Mehr Umsatz mit weniger Aufwand erreichen. Der Plan war von Anton Glock entwickelt worden, der als ›Stellvertretender Leiter der zentralen Abteilung für Unternehmensstrategie‹, wie er offiziell hieß, die Erstellung derartiger Programme im Konzern verantwortete. Die Brisanz des heutigen Termines lag in der Anwesenheit des Finanzchefs des Konzerns, Heinrich Nagelschneider, der in den nächsten Wochen darüber zu entscheiden hatte, ob er, Glock, seinen Chef in der Leitung der mächtigen Zentralabteilung beerben würde. Viel hing davon ab, ob er heute eine gute Figur machte und sich auf dem politisch glatten Parkett der hochkarätigen Veranstaltung in den Augen des Finanzers bewährte.
    Er drückte die Zigarette auf dem marmornen Fensterbrett aus und betrat den Sitzungssaal wieder. Einige missbilligende Blicke aus der knapp zwanzigköpfigen Runde brachten zum Ausdruck, dass sein kurzzeitiges Verlassen des Raumes seiner jugendlichen Ungeschliffenheit zugerechnet wurde. Gerade erläuterte Kroupa, der österreichische Geschäftsführer, warum der österreichische Marktanteil der Firma ohne den Kauf eines Konkurrenten ›definitiv nicht zu steigern‹ sei, und dass man das gedeihliche und nutzbringende Verhältnis der österreichischen Geschäftsleitung zur Arbeitnehmervertretung nicht durch
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