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Machtrausch

Machtrausch

Titel: Machtrausch
Autoren: Rainer C. Koppitz
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feuerrot durch das geöffnete Autofenster, als das Mobiltelefon auf dem Sitz neben ihr klingelte. Es war das Telefon ihrer Freundin Babette, die sie gerade im Laden vertrat. Barbara, sonst strikte Handy-Gegnerin, hatte es sich für die heutige Fahrt geliehen, um für Babette bei dringenden Fragen aus dem Laden erreichbar zu sein. Sie fischte das Handy vom Beifahrersitz, erkannte auf dem Display sofort ihre eigene Geschäftsnummer und fand, auf dem für sie völlig ungewohnten Gerät, erst nach einigem Herumdrücken den richtigen Knopf.
    »Ja, was gibt’s Babette? Bin sowieso gleich zurück in München .« Sie hörte nur ein schmerzvolles, dumpfes Stöhnen, keine Antwort sonst. Da stimmte etwas nicht.
    »Hallo, hallo! Babette, bist du es? Sag doch was! Ist was ?« Sie wusste nicht, ob sie anhalten sollte, um die Fahrgeräusche verstummen zu lassen und den Anrufer besser verstehen zu können, oder ob sie besser Gas in Richtung München geben sollte. Schließlich bremste sie hektisch an einem Feldweg, presste das Handy an ihr Ohr und fragte erneut:
    »Babette, Babette! So sag doch was! Ist was passiert ?« Panikschweiß trat ihr aus allen Poren.
    »Mhmmm, mhhhh !!!« Ein Stöhnen, das wie Zustimmung klang.
    »Bist du im Laden ?«
    »Mhmmmm, mhhhm !!!« Sie traf einen Entschluss:
    »Ich lege jetzt auf, rufe Hilfe und komme so schnell wie möglich, o.k.! ?«
      »Mhmmmm, mhhhm !!!« Sie unterbrach mit zittrigen Fingern die Verbindung, wählte die 110, gab der Polizei die Adresse ihres Ladens und raste die letzten Kilometer nach München zurück. Sie hatte gar nicht gewusst, was in dem alten Fiat alles steckte.

     
    Vor ihrem Laden in der beschaulichen Altbaustraße in München-Neuhausen standen auf dem Bürgersteig ein Notarzt- und ein Polizeiwagen. Sie stellte das Auto mit Warnblinker in die zweite Reihe und stürzte auf den Eingang ihres Geschäftes zu. Zwei Polizisten brachen gerade die Glastür auf, die eigenartigerweise abgeschlossen war, zwei Sanitäter standen ungeduldig daneben. Sie fuchtelte mit ihrem Schlüssel und drängte sich durch die Handvoll Passanten, die die Szenerie umstanden. Dann schloss sie auf, während ihr Herz vor Angst auf das, was sie im Laden erwartete, wild raste. Die Polizisten stürzten voran. Der große, dunkle Ladenraum war leer, hinter der hölzernen Theke kein Mensch, auch nicht im kleinen Bürozimmer dahinter. Nichts. Kein Lebenszeichen von ihrer Freundin. Sie rief den Polizisten zu: »Der Keller !« Mit einem Mal wurde ihr schwarz vor Augen. Sie hielt sich an der Theke fest, atmete tief durch und zählte langsam bis zehn. Dann stolperte Barbara mühsam die steile Treppe zum Keller des Jahrhundertwendehauses hinunter und stieß die Tür zum Lager auf. Dort waren die beiden Polizisten bereits dabei, sich um ihre Freundin Babette zu kümmern, die zusammengekrümmt am Boden lag.
    »Die Hände waren an ein Heizungsrohr gefesselt, in einer Hand hatte sie noch das Schnurlosteil des Ladentelefons, von dem aus sie Sie angerufen hatte«, erklärte ein Polizist. »Füße und Mund waren mit Paketband verklebt .« Barbara bemerkte frisches Blut am Kopf der Freundin, das sich feucht auf dem blonden Haar abzeichnete und – sie stieß einen Entsetzensschrei aus, als sie sich über Babette beugte – man hatte ihr den kleinen Finger der rechten Hand abgeschnitten. Das fehlende Gliedmaß lag wie eine weggeworfene Zigarettenkippe auf dem schmutzigen Beton des Kellerbodens. Barbara wurde erneut schwarz vor den Augen. Die Polizisten zogen sie vorsichtig von Babette weg, und man kümmerte sich um die verletzte Frau, die leise vor sich hinwimmerte und auch nach Entfernen des Klebebandes keinen vernünftigen Ton herausbekam.

     
    Eine Stunde später saßen Anton und Barbara Glock auf der Couch ihrer geräumigen Altbauwohnung im Stadtteil Haidhausen. Barbara schluchzte leise und stammelte immer wieder »Warum, warum nur ?« Anton legte den Arm um sie und versuchte beruhigend auf sie einzureden, wobei er sie bewusst in ihrer Ansicht bestärkte, dass etwas ganz Schreckliches passiert war. Glock wusste und hatte eine Maxime daraus abgeleitet: Jemand, der weinte, wollte keineswegs davon überzeugt werden, dass es gar keinen Grund zur Traurigkeit gab. Am wirkungsvollsten half man, in dem man den Trauernden sogar noch nach Kräften darin bestärkte. Er war sich ziemlich sicher, was passiert war und kochte innerlich: Vor etwa vier Wochen hatte Barbara Besuch erhalten von zwei jungen Männern mit slawischem
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