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Macht Vakuum

Macht Vakuum

Titel: Macht Vakuum
Autoren: Ian Bremmer
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Kürzungen der Verteidigungsausgaben ihre weltweite militärische Überlegenheit nicht gefährden. Ihre kulturelle Anziehungskraft wird sich auch weiterhin in alle Sprachen der Welt übersetzen. Die heutige Periode des Übergangs könnte es ihnen letztlich ermöglichen, ihre Finanzen in Ordnung zu bringen und erstarkt auf die internationale Bühne zurückzukehren. Aber sie müssen ernsthafte Arbeit leisten, um das Vertrauen in ihr finanzielles Fundament wiederherzustellen, und ihre politische und wirtschaftliche Führungsposition wird auch weiterhin durch die Schwellenländer geschwächt werden.
Mit Europa oder Japan ist nicht zu rechnen
    Die neue führungslose Welt ist nicht nur die Geschichte eines verkleinerten Amerika. Es wird Jahre dauern, bis irgendein anderes Land oder ein Bündnis von Ländern über die Ressourcen und das Selbstvertrauen verfügt, das wachsende Führungsvakuum zu füllen.
    Da die G7 ein Anachronismus und die G20 mehr ein Wunsch als eine Organisation ist, haben einige eine G3 gefordert, in der Amerika, Europa und Japan ihre Ressourcen bündeln würden, um gemeinsame Ziele zu erreichen. Doch die Hindernisse auf dem Weg zu einer wirksamen G3 oder etwas, das ihr nahe käme, sind gewaltig. Zunächst einmal wurde durch den Zusammenbruch der Verhandlungen beim KopenhagenerKlimagipfel und den Ausbruch der Finanzkrise klar, dass jeder Versuch, in der heutigen Welt ohne die aktive Kooperation und Opferbereitschaft von China, Indien und anderen Schwellenländern komplexe Probleme zu lösen, vermutlich zum Scheitern verurteilt ist. Zweitens sind sich Amerikaner und Europäer in einer wachsenden Zahl wichtiger Fragen nicht einig, zum Beispiel was eine möglichst gerechte Arbeitsteilung in der Nato, den richtigen Weg zur Wiederbelebung der Weltwirtschaft, die Regulierung der Banken und die Vermittlung eines Friedens zwischen Israelis und Palästinensern betrifft.
    Noch wichtiger ist jedoch, dass die europäischen Politiker nach den Schuldenkrisen in mehreren Ländern Europas Jahre angestrengter Verhandlungen vor sich haben, um das Vertrauen innerhalb der Eurozone wiederherzustellen. Durch den Erholungsprozess könnte die Stärke Europas durchaus von innen heraus wiederhergestellt werden, aber der Weg dahin dürfte durch beträchtliches Misstrauen und erhebliche Feindseligkeit zwischen verschiedenen europäischen Regierungen gekennzeichnet sein. Die offensichtlichsten Spannungen in Bezug auf die politische Richtung und die politische Kultur wird es zwischen wichtigen Ländern der EU geben, etwa zwischen Deutschland, das die Rechnung zahlen muss, um die Eurozone auf den Beinen zu halten, und den sogenannten peripheren Ländern wie Griechenland, Portugal und Spanien, die jahrelang über ihre Verhältnisse gelebt haben. In einem Interview mit CNBC vom August 2011 erklärte Warren Buffet die Widersprüche innerhalb der europäischen Währungsunion folgendermaßen: »Die 17 Länder, die sich der europäischen Währungsunion anschlossen, verzichteten auf das Recht, ihr eigenes Geld zu drucken ... Sie banden sich aneinander. Sie gaben einander Kreditkarten und sagten, jetzt gehen wir alle aus. Und einige benahmen sich besser als andere.« 10 Außerdem gibt es innerhalb der EU Spannungen zwischen den Ländern der Eurozone, die wie Deutschland den Euro stützen wollen, und Ländern wie Großbritannien, die damit nichts zu tun haben wollen.
    Deutschland ist ein exemplarischer Fall. Das Land ging mit einer der gesündesten Volkswirtschaften der Welt aus der Finanzkrise hervor. Da es von den riskanten Wetten, die US-amerikanische und andere europäische Banken eingegangen waren und mit denen sie den größten Teildes Kontinents in die Krise gestürzt hatten, nur relativ schwach betroffen war, zieht dort das Wachstum wieder an, und die Löhne steigen. Seine Arbeitslosigkeit ist relativ gering, und sein Außenhandelsüberschuss ist größer als bei allen anderen Ländern der Welt mit Ausnahme Chinas. Dank diesem Erfolg sollte Deutschland eigentlich eine wichtigere Rolle in der Weltpolitik spielen, aber sehr zum Unglück seiner Steuerzahler bauen die schwächeren Volkswirtschaften der Eurozone jetzt auf seine Wirtschaftskraft, um sich mit deren Geld vor dem Staatsbankrott zu retten. In dieser Hinsicht hat Berlin jetzt schon mehr mit Peking gemein als mit Washington. Auch in seiner politischen Kultur ist in den letzten Jahren die Abneigung gegen Länder, die mehr ausgeben, als sie einnehmen, sehr gewachsen. Dies wird in
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