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Macht Vakuum

Macht Vakuum

Titel: Macht Vakuum
Autoren: Ian Bremmer
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Vermögenswerte. Um ehrlich zu sein, ich bin wirklich ein wenig besorgt.« 5 Die jüngste US-Haushaltskrise wegen der gesetzlichen Schuldenobergrenze hat die chinesischen Sorgen weiter verschärft. Dazu sagte Stephen Roach, der Chairman von Morgan Stanley Asia: »Das ist der Weckruf für China ... Sie werden aufhören, dollarbasierte Vermögenswerte zu kaufen, nicht weil sie eine Wut auf uns haben, sondern einfach nur, weil sie es nicht nötig haben.« 6
    Damit Washington seine wachsenden Verpflichtungen erfüllen kann, werden die Amerikaner höhere Steuern zahlen müssen, aber allein durch Steuererhöhungen werden sich die Schulden nicht begleichen lassen. Die Entscheidungsträger werden sowohl bei den Versorgungsansprüchen als auch bei den Verteidigungsausgaben kürzen müssen. Dutzende Millionen Arbeiter werden etwas später in Rente gehen können, ihre Renten und ihre Gesundheitsversorgung werden wenigergroßzügig ausfallen, und die Architekten der amerikanischen Außenpolitik werden harte Entscheidungen darüber treffen müssen, was Amerika sich leisten kann und was nicht. Ohne diese Opfer riskiert das Land eine Finanzkatastrophe, wie es sie seit den 1930er Jahren nicht mehr erlebt hat.
    Die amerikanische Außenpolitik wird noch weiteren Begrenzungen unterworfen sein. Eine Flut von Umfragen hat ergeben, dass den Amerikanern ihre Arbeitsplätze, ihre Häuser, ihre Renten und ihre Gesundheitsversorgung wichtiger sind als der Export amerikanischer Werte oder sogar als Bedrohungen von außen – ein Trend, der sich in den letzten paar Jahren sehr verstärkt hat. 7 In einem Zeitalter der Sparmaßnahmen haben die Amerikaner immer weniger Interesse, bei der Bewältigung von Umbrüchen im Nahen Osten, von Rivalitäten in Ostasien oder von humanitären Krisen in Afrika zu helfen, und bestehen immer heftiger darauf, dass sich ihre gewählten Vertreter mehr auf die Probleme im eigenen Land konzentrieren. Die terroristischen Angriffe des 11. September lösten in Amerika ein großes öffentliches Interesse an der Außenpolitik aus. Dieses beruhte jedoch vor allem darauf, dass sich äußere Probleme auf absolut beispiellose Weise auf amerikanischem Boden manifestiert hatten und sich der Terrorismus negativ auf das Vertrauen in die amerikanische Wirtschaft auswirkte.
    Neue Umfragen des Pew Research Center und des Council on Foreign Relations zeigen, dass die Aussage, die Vereinigten Staaten sollten »sich im internationalen Bereich um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern«, heute mehr Zustimmung erhält als zu irgendeinem anderen Zeitpunkt in fast 50 Jahren. Auch der Handel ist nicht mehr so populär wie einst. Die Amerikaner sind sich nicht mehr so sicher, ob die Globalisierung, der immer freiere grenzüberschreitende Austausch von Ideen, Informationen, Menschen, Geld, Gütern und Dienstleistungen, ihnen nutzt. 8 Zu viele Arbeiter in der produzierenden Industrie der USA werden arbeitslos, weil billige Produkte importiert werden.
    Mitverantwortlich für die starke Konzentration auf die Innenpolitik ist der Umstand, dass es keine einzelne klar identifizierbare Bedrohung der amerikanischen Sicherheit gibt, die einen größeren Teil der Öffentlichkeit zur Unterstützung einer aktiveren Außenpolitik veranlassen würde. Chinas wirtschaftliche, politische und militärische Macht hat, insbesondere in Ostasien, in den letzten Jahren stark zugenommen, und einige amerikanische Regierungsvertreter geben sich alle Mühe, die neue Großmacht wegen unfairer Handelspraktiken, Menschenrechtsverletzungen, Bedrohung der Sicherheit im Cyberspace und andere angeblichen Übeltaten schlechtzumachen. Im Augenblick jedoch ist es dank dem ausdrücklichen Bekenntnis Chinas zu einem »friedlichen Aufstieg«, dank seiner Bereitschaft, einen gewaltigen Teil der amerikanischen Schulden zu finanzieren, und dank den Chancen, die es amerikanischen Unternehmen immer noch bietet, kaum möglich, das bevölkerungsreichste Land der Erde als einen Superschurken wie die ehemalige Sowjetunion darzustellen oder eine Bedrohung der internationalen Ordnung von sowjetischen Ausmaßen an die Wand zu malen. Chinas führende Politiker drohen nicht damit, die USA zu begraben, sie hauen nicht auf der Generalversammlung der Vereinten Nationen mit dem Schuh auf das Rednerpult, und sie machen nicht den Versuch, Atomraketen auf Kuba zu stationieren.
    Der militante Islamismus, schon immer ein schwer fassbarer Feind, hat heute eine geringere außenpolitische Priorität als
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