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Macht Vakuum

Macht Vakuum

Titel: Macht Vakuum
Autoren: Ian Bremmer
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›Superzyklus‹ eingetreten, der durch die Industrialisierung und Urbanisierung der Schwellenmärkte und den globalen Handel angetrieben wird«. 2 Zwischen 1870 und dem Ersten Weltkrieg wurde die Weltwirtschaft durch den Aufstieg Amerikas und durch neue Technologien vorangetrieben. Vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis in die 1970er Jahre wirkten die amerikanische Führung, der Wiederaufbau Europas, billiges Öl und der Anstieg der asiatischen Exporte als Wachstumsmotoren. Heute können wir darauf zählen, dass die immer dynamischeren Märkte Chinas, Indiens, Brasiliens, der Türkei und anderer Schwellenländer den Weltwirtschaftsmotor noch viele Jahre auf Touren halten. Laut dem Bericht können wir Amerikaner und Europäer uns damit trösten, dass andere Staaten einen größeren Teil der wirtschaftlichen Schwerarbeit übernehmen, während unsere eigenen Wirtschaftsmotoren langsamer laufen.
    Freilich war die Notwendigkeit internationaler Zusammenarbeit noch nie so groß wie in der heutigen Welt, wo es so viele grenzübergreifende Probleme gibt: von der Stabilität der Weltwirtschaft über Klimawandel, Cyberangriffe und Terrorismus bis zur Sicherung der Nahrungsmittel- und Wasserversorgung. Zusammenarbeit aber setzt Führung voraus. Führer haben das Gewicht, multinationale Reaktionen auf transnationale Probleme zu koordinieren. Sie haben den Reichtum und die Macht, um andere Staaten zu Maßnahmen zu überreden, die diese sonst nicht treffen würden. Sie übernehmen Kosten, die andere nicht tragen können, und erbringen Dienstleistungen, die niemand sonst zahlen will. Problem für Problem bestimmen sie die internationale Agenda. Dies sind die Aufgaben, die zu übernehmen Amerika zunehmend unwillig und unfähig ist. Zur gleichen Zeit sind die aufsteigenden Mächte noch nicht bereit, seine Rolle zu übernehmen, weil ihre Regierungen sich noch darauf konzentrieren müssen, die nächsten kritischen Stadien ihrer eigenen wirtschaftlichen Entwicklung zu managen.
    Auch ist es eher unwahrscheinlich, dass internationale Institutionen die Führung übernehmen werden. Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise im November 2008 versammelten sich die politischen Führer der einflussreichsten alten Industrieländer und der Schwellenländer unter der Bezeichnung G20 in Washington. Das Forum leistete einen Beitrag zur Schadensbegrenzung, doch das Gefühl einer kollektiven Krise verebbte schnell, und mit ihm endete auch die Zusammenarbeit. Seither haben die G20-Gipfel nichts Wesentliches mehr geleistet. Institutionen wie der Weltsicherheitsrat, der Internationale Währungsfonds und die Weltbank werden vermutlich auch nicht effektiv führen, weil sie nicht mehr repräsentativ sind für die realen politischen und wirtschaftlichen Kräfteverhältnisse auf der Welt.
    Wenn weder der Westen noch andere Länder, noch die Institutionen mehr führen, wer wird dann die Führung übernehmen? Die Antwort lautet: niemand. Weder die einst so dominante G7 noch die funktionsuntüchtige G20. Wir haben die G-Null erreicht.
    Dieses Buch handelt nicht vom Niedergang des Westens. Amerika und Europa haben schon früher Schwierigkeiten überwunden und sind langfristig gut dafür gerüstet, es wieder zu tun. Auch handelt das Buch nicht vom Aufstieg Chinas und dem anderer Schwellenländer. Sie werden mit gewaltigen innenpolitischen Problemen zu kämpfen haben. Nicht alle Schwellenländer werden ihren Aufstieg fortsetzen, und die, die es schaffen, werden länger brauchen als allgemein erwartet, bis sie ihre Überlebensfähigkeit bewiesen haben. Viel eher beschreibt dieses Buch eine Welt im stürmischen Übergang, eine Welt, die besonders verwundbar für Krisen ist, die plötzlich und aus unerwarteten Richtungen auftauchen. Die Natur mag es auch heute noch nicht, wenn irgendwo ein Vakuum besteht, also wird die G-Null nicht ewig bestehen. Trotzdem wird die Welt im Lauf des kommenden Jahrzehnts und vielleicht nochlänger führerlos sein. Das wird unsere Fähigkeiten zur Erhaltung des Friedens, zur Schaffung neuer Chancen, zur Bekämpfung des Klimawandels und zur Ernährung einer wachsenden Weltbevölkerung beinträchtigen. Und die Auswirkungen werden in allen Weltregionen, ja sogar im Cyberspace, zu spüren sein.
    Auf den folgenden Seiten wird diese neue Welt beschrieben, und es wird antizipiert, welche Turbulenzen in ihr zu erwarten sind. Kapitel Eins erklärt, was die G-Null ist. Kapitel Zwei beschreibt ausführlich, wie wir zu diesem Zustand der Welt kamen, und zwar
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