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Macht Vakuum

Macht Vakuum

Titel: Macht Vakuum
Autoren: Ian Bremmer
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unsere grundlegenden nationalen Bedingungen. Das ist das wirkliche China.« 15
    In den kommenden Jahren wird sich China weiterentwickeln, und das unter der Führung einer autoritären Regierung, die der Ansicht ist, dass das Machtmonopol der Partei von einem steigenden Lebensstandard und der ständigen Schaffung neuer Arbeitsplätze abhängig ist. Mit dieser Agenda hat China deutliche Anreize, genau die Art von Opfern zu vermeiden, die eine internationale Führungsmacht bringen müsste.
    Außerdem ist Chinas Wachstum bei näherer Betrachtung weniger eindrucksvoll, als es zunächst aussieht. Obwohl das Land im Jahr 2010 Japan überholte und die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt wurde, lässt sich am chinesischen Pro-Kopf-Einkommen unschwer ablesen, dass seine Politiker es zu Recht als Entwicklungsland bezeichnen. Im Jahr 2010 schätzte der Internationale Währungsfonds das chinesische Bruttoinlandsprodukt kaufkraftbereinigt auf 7519 Dollar pro Person und Jahr. Das ist der 94. Platz in der Welt, etwa die Hälfte des litauischen und ein Drittel des portugiesischen Pro-Kopf-Einkommens. 16
    Wichtiger noch, Chinas Führung hat öffentlich eingestanden, dass es das nächste Stadium seiner Entwicklung nicht mit der Strategie erreichen kann, die für die imposanten Wachstumsraten der letzten drei Jahrzehnte verantwortlich war. Um weiterzukommen, muss es die Produktivität seiner boomenden Ballungsgebiete an der Küste auf neue Städte in seinen zentralen und westlichen Provinzen übertragen, was gigantische Investitionen in neue Infrastruktur bedeuten wird. China muss die Art seines Energieverbrauchs ändern, um die katastrophale und irreversible Verschmutzung von Wasser und Luft zu vermeiden, es muss seine starke Abhängigkeit von Ölimporten aus politisch instabilen Staaten vermindern, und es muss seine Volkswirtschaft auch weiterhin in immer höhere Bereiche der Wertschöpfungskette bringen, wozu beispiellose Investitionen in modernste Informationstechnik, Biowissenschaften und Biotechnik und alternative Energieträger notwendig sind – harte Aufgaben für eine Regierung, die dem Einfluss des Internets nach wie vor sehr misstrauisch gegenübersteht.
    Außerdem muss China für seine 1,34 Billionen Einwohner ein landesweites soziales Netz aufbauen, was es in China noch nie gegeben hat. Zugleich muss es damit zurechtkommen, dass seine Arbeiter stetige Lohnsteigerungen und eine permanente Verbesserung ihres Lebensstandards erwarten. Und es muss mit der beunruhigenden Zahl von Zehntausenden öffentlicher Protestveranstaltungen so umgehen, dass sie nicht zu einer organisierten staatsfeindlichen Bewegung werden. Das Land wird seine internationale Präsenz weiter verstärken und neue Geschäftsverbindungen knüpfen, um all diese Ziele zu erreichen. Aber es wird sich gewiss nicht um schwierigere Aufgaben in der Weltpolitik bemühen.
    Es trifft zu, dass das chinesische Militär in Ostasien seit einigen Jahren selbstbewusster, ja aggressiver auftritt. Im Jahr 2011 beschuldigten Vietnam und die Philippinen chinesische Patrouillenboote, sie hätten Schiffe durch Warnschüsse gestoppt und sogar gedroht, sie zu rammen, als sie in der Nähe oder innerhalb umstrittener Gebiete des Chinesischen Meers nach Energieträgern suchten. Offenbar weiß niemand genau, wer in der chinesischen Führung diese Aktionen autorisierte, aber es ist offensichtlich, dass die chinesischen Streitkräfte ihren (jetzt schon beträchtlichen) Einfluss in der Regierungsbürokratie ausweiten und ihren Handlungsspielraum in der Region testen wollen.
    Auch arbeitet China am Aufbau einer Hochseeflotte, die in der Lage ist, fern von seinen Küsten zu operieren. Im Rahmen dieses Projekts hat es im August 2011 seinen ersten Flugzeugträger in Dienst gestellt. Freilich sollte niemand erwarten, dass sich die militärischen Fähigkeiten Chinas durch diese Aktivitäten radikal verändern würden. Der Flugzeugträger entspricht keineswegs dem modernen Stand der Technik: Die Warjag wurde in der Sowjetunion gebaut und lief 1988 vom Stapel. 10 Jahre später erwarb China das Schiff bei einer Auktion für 20 Millionen Dollar und verkündete, es würde vor Macao vor Anker gehen und als Hotel und Kasino dienen. Stattdessen wurde es zu einem Träger für chinesische Kampfflugzeuge umgebaut und im Sommer 2011 erstmalsgetestet. Allein wird die inzwischen in Shi Lang umbenannte Warjag die Kräfteverhältnisse in Asien bestimmt nicht ändern. Außerdem erfüllt eine Hochseeflotte
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