Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Macht Musik schlau?

Macht Musik schlau?

Titel: Macht Musik schlau?
Autoren: Lutz Jäncke
Vom Netzwerk:
Verknüpfung führt zu einer 1 (1 × 1 × 1 = 1). Ein anderes Ergebnis erhalten wir, wenn wir annehmen, dass Ihr Kind trotz hoher Begabung («Können» = 1) und besten Möglichkeiten («Möglichkeit» = 1) überhaupt keine Lust zum Lernen hat («Wollen» = 0). Es wird demzufolge niemals üben und auch keine Fertigkeiten im Klavierspielen ausbilden. Die Formel gibt dieses Ergebnis anschaulich wieder, denn das Ergebnis ist 0 (0 × 1 × 1 = 0). Andererseits veranschaulicht diese Gleichung auch eindrücklich, dass selbst geringere Begabungen («Können» = 0,5) durch hohe Motivation und besten Möglichkeiten zu ordentlichen Leistungen führen können (0,5 × 1 × 1 = 0,5). Insofern ist von einer enormen Verhaltensflexibilität auszugehen, die sehr stark von der Motivation und den Rahmenbedingungen bestimmt werden. Diese Verhaltensflexibilität zeigt sich auch in der enormen Anpassungsfähigkeit des menschlichen Gehirns. Viele anatomische Kennwerte des Gehirns werden in weit geringerem Ausmaß als bislang angenommen ausschließlich genetisch beeinflusst. Insbesondere die Hirngebiete, welche wichtige Funktionen für den Menschen beherbergen, sind sehr stark durch Erfahrung beeinflussbar. Im Grunde muss man davon ausgehen, dass unser Gehirn sich im Zuge der Evolution zu einer «Lernmaschine» entwickelt hat, um sich den ständig wechselnden Anforderungen der Umwelt anzupassen.
    Transfer
    Ein zentrales Thema dieses Buches ist ja die Frage, ob Musizieren oder gar Musikhören einen günstigen oder weniger günstigen Einfluss auf das Lernen und Gedächtnis haben könnte. Solche Übertragungseffekte sind für die Lern- und Gedächtnispsychologie von herausragender Bedeutung. Wenn das Erlernen oder Üben einer Aufgabe zu einem Lerneffekt bei einer anderen Aufgabe führt, spricht man von Mitübung,Übungsübertragung oder Transfer. Man unterscheidet verschiedene Formen des Transfers. Im Hinblick auf das Lernergebnis unterscheidet man positiven von negativem Transfer. Positiver Transfer erleichtert das nachfolgende Lernen, während negativer Transfer das nachfolgende Lernen erschwert. Wenn kein Lerneffekt vorliegt, spricht man auch von einem Nulltransfer. Wenn nicht das Ergebnis, sondern Lernprozesse im Vordergrund stehen, spricht man proaktiver respektive retroaktiver Hemmung . Während die proaktive Hemmung das Behalten oder die Wiedergabe des späteren Inhalts beeinträchtigt, bezeichnet retroaktive Hemmung eine Beeinträchtigung eines früher gelernten Inhalts durch den späteren Inhalt. Eine etwas andere Beschreibung von solchen Übertragungseffekten bezieht sich auf die Ähnlichkeit des Gelernten. So kann man einen lateralen von einem vertikalen Transfer unterscheiden. Unter lateralem Transfer versteht man die Anwendung einer erlernten Fertigkeit auf ähnliche Situationen des gleichen Komplexitätsniveaus. Als vertikalen Transfer bezeichnet man die Übertragung bzw. das Anwenden von gelernten einfachen Fähigkeiten auf das Erlernen höherer (komplexerer) Fähigkeiten. Die neurophysiologischen Grundlagen von solchen Transfereffekten sind bislang noch nicht eindeutig bekannt. Man kann sich allerdings sehr gut vorstellen, dass ähnliche Reize im Gehirn durch die gleichen Hirngebiete verarbeitet werden. Ein Ton und ein Vokal haben ähnliche physikalische Anteile. Insofern ist es einsichtig, dass Töne und Vokale teilweise von ähnlichen Hirnstrukturen verarbeitet werden. Ähnlichkeiten finden sich nicht nur auf den untersten Ebenen der Reizverarbeitung, sondern zunehmend auch auf übergeordneten Verarbeitungsebenen. So wird auch die zeitliche Abfolge von Tönen, Lauten aber auch Bewegungen durch die gleichen Hirnstrukturen kontrolliert. Neben den beteiligten Hirnstrukturen und psychologischen Prozessen sind auch die gelernten Assoziationen (Verbindungen) zwischen verschiedenen Lerninhalten wesentlich für das Zustandekommen von Transfereffekten. Wenn z.B. ein Reiz mit einer ganz bestimmten Reaktion gekoppelt ist, dann wird es schwierig sein, zu lernen, dass dieser Reiz mit einer ganz anderen Reaktion in Verbindung zu bringen ist. Die zweite Reaktion wird nur anbindbar sein, wenn sie der ersten sehr ähnlich ist. Ähnlich wird es auch beim Ankoppeln von verschiedenen Gedächtnisinhalten sein. Besteht eine fest etablierte Verbindung zwischen zwei Inhalten, dann wird es schwierig sein,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher