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Mach's falsch, und du machst es richtig

Mach's falsch, und du machst es richtig

Titel: Mach's falsch, und du machst es richtig
Autoren: Christian Ankowitsch
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Effekt konnten die Autoren in einem zweiten Experiment nachweisen: Dabei wiederholten sie eine Behauptung mehrfach, ohne etwas über deren Wahrheitsgehalt zu sagen. Das verblüffende Resultat: Es genügt bereits, etwas bloß mehrfach zu wiederholen, um dessen Glaubwürdigkeit zu erhöhen, denn wieder schließen wir aus dem Umstand, eine Aussage bereits zu kennen, auf deren Wahrheitsgehalt. So wären Versuche, solch vertraute Behauptungen zu diskreditieren, fehlgeschlagen: Vielmehr hätten sie die Tendenz der Menschen erhöht, «diese Behauptungen als wahr zu betrachten». Eine menschliche Eigenart mit ziemlich weitreichenden Implikationen. Denn stimmt es, daß sich in eine wahre Aussage verwandelt, was nur oft genug wiederholt wird, dann gilt es zum Beispiel, Kinder von all jenen Medien fernzuhalten, die ihnen ununterbrochen dieselbe Botschaft vermitteln, wie anfechtbar sie auch sein mag.

Wer unter einer konkreten Situation leidet, der stellt am besten in Abrede, daß er tut, was er gerade tut. Es gibt aber noch weitere Möglichkeiten, zum eigenen Vorteil «nein» und «nicht» zu sagen.
    Wie zu Beginn erwähnt, behandelt dieses Kapitel die Frage, wie unser Denken und unsere Sprache funktionieren, wenn sie durch das kleine Wörtchen «nein» in Bewegung gesetzt werden. So viele Drehungen und Wendungen wir dabei auch beobachtet haben mögen – die grundsätzlichen Verhältnisse sind einfach zu beschreiben. Unsere Sprache ist nämlich so konstruiert, daß sie uns glauben läßt, wir hätten immer nur die Wahl zwischen dem
einen
und dem
anderen
, also zwischen ja und nein, schwarz und weiß, oben und unten. Sobald wir uns aber unserem Verhalten zuwenden, also dem, was wir
tun
, erkennen wir, daß wir viel mehr Möglichkeiten haben. So schreibt Fritz B. Simon [230] auch, daß es in Wirklichkeit mindestens
zwei
verschiedene Arten gebe, etwas zu verneinen (und nicht bloß eine, wie wir denken): auf passive und auf aktive Weise. Wer zum anderen sage, «Ich liebe dich nicht», der verneine die Sache auf passive Weise. Wer hingegen sage «Ich hasse dich!», der mache das auf aktive Weise. Ein anderes Beispiel von Simon lautet: «Ich weiß nicht, ob es Gott gibt» (passiv) und «Es gibt keinen Gott» (aktiv). Wie wir sehen, gehören Ariane Sherine und Richard Dawkins mit ihrer Buskampagne zur zweiten Kategorie, der aktiven. Und tatsächlich, wenn wir es genau betrachten, besteht zwischen der passiven und der aktiven Option tatsächlich ein sehr großer Unterschied, der uns rein sprachlich gesehen leicht entgehen kann. Im Fall einer passiven Verneinung vermeiden wir es, uns für etwas Bestimmtes zu entscheiden. Im Fall einer aktiven Verneinung hingegen tun wir etwas, «das eine gegenteilige Bedeutung hat», so Simon.
    Wir bekommen es also in der «Wirklichkeit» wieder einmal mit jenen Ambivalenzen zu tun, denen wir an vielen Stellen dieses Buchs begegnet sind. Es ist daher auch weiter nicht verwunderlich, daß es in genau dem Moment zu einiger Verwirrung kommt, wenn unser Ja-Nein-Denken und -Sprechen mit unserem konkreten Verhalten in Berührung kommt. So schreibt Simon, die Gefahr des Denkens und Sprechens rühre daher, «daß sie dem Redner ermöglicht zu behaupten, etwas nicht zu tun und es gerade dadurch zu tun» [231] . Wir haben im Kapitel «Paradoxe Verhältnisse» etwas darüber erfahren, als davon die Rede war, daß wir bestimmte paradoxe Aufforderungen nur erfüllen können, indem wir ihnen nicht folgen und umgekehrt («Sei spontan», Sie wissen schon). Das mag in vielen Fällen zu den «verwirrenden und verrücktmachenden Gefahren der Sprache» gehören, wie Simon schreibt – aber das Durcheinander bietet uns auch Chancen. Und genau von diesen Chancen, die sich immer dann ergeben, wenn unsere Sprache mit der Wirklichkeit auf Tuchfühlung geht, soll jetzt am Ende dieses Buchs die Rede sein. Wir werden sehen, daß wir es tatsächlich
richtig
machen können, indem wir es
falsch
machen (aber auch ziemlich falsch, aber das wissen wir bereits).
    Warnen Sie ohne Unterlaß: Vor all jenen Dingen, die Sie den Menschen näherbringen wollen, sollten Sie warnen, und zwar möglichst detailliert und ausführlich. Sollten Sie vergessen haben, warum, lesen Sie bitte weiter oben nach. In der Passage zitiere ich den Titel der entsprechenden Studie: «Wie Warnungen vor falschen Behauptungen zu Empfehlungen werden können».
    Distanzieren Sie sich von den Dingen, die Sie gerade tun: Wollen Sie ein wenig Distanz gewinnen, sich eine
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