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Macabros 109: Vontox - Der Magier aus Lemuria

Macabros 109: Vontox - Der Magier aus Lemuria

Titel: Macabros 109: Vontox - Der Magier aus Lemuria
Autoren: Dan Shocker
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Fredon verabreichte Lorette Grande eine
Kräftigungsspritze und bat sie, sehr früh zu Bett zu gehen.
Die zweiunddreißigjährige Witwe versprach dies zwar, hielt
sich aber nicht daran. Es schien, als könne sie nur in
ständiger Aktivität die Zeit füllen. Sie
fürchtete sich davor, ins Bett zu gehen. Eine Schlafspritze
lehnte sie ab. Dr. Fredon verließ nachdenklich das Haus und
versprach, am späten Abend nochmal nach ihr zu sehen. Lorette
Grandes Zustand gefiel ihm nicht.
    Bevor Fredon ging, nahm er Abschied von dem Toten.
    Auf der anderen Seite des Parks, umgeben von uralten Eichen und
Buchen, stand die kleine Hauskapelle, der sich die Familiengruft
anschloß.
    In der Kapelle war die Leiche aufgebahrt. Sie war von Blumen und
Kränzen umgeben, die in der Zwischenzeit aus allen Teilen der
Stadt gebracht wurden.
    Die Angestellten und Verwandten nahmen die Blumen entgegen.
Lorette Grande trat nicht in Erscheinung, sondern hielt sich
zurückgezogen im Haus auf.
    Sie hätte es nicht verkraftet, jetzt schon die
Kondolenzbezeigungen entgegenzunehmen.
    Mit Einbruch der Dunkelheit kehrte mehr Stille ein, obwohl die
Zahl der Gäste im Haus höher war als sonst. Lorettes Eltern
und Verwandten waren gekommen. Die Gästezimmer waren zur
Hälfte belegt. Weitere Trauergäste wurden für die
eigentliche Beisetzung, die zwei Tage später sein sollte,
erwartet.
    Es war Familientradition, die Toten des Hauses Grande in der
kleinen Kapelle bis zum Tag der Grablegung aufzubahren. Abwechselnd
übernahm aus dem Kreis der Verwandten und Freunde einer die
Totenwache.
    Als Dr. Fredon gegen acht noch mal ins Haus kam und Lorette Grande
eindringlich riet, sich zur Ruhe zu begeben, lehnte sie kategorisch
ab und bestand darauf, in der ersten Nacht die Wache zu halten.
Fredon bot alle Überredungskunst auf. Vergeblich!
    So kam es, daß eine Stunde später die blasse, ganz in
Schwarz gekleidete Lorette Grande das Haus verließ und den
schmalen Weg zwischen den Bäumen Richtung Kapelle ging, deren
Gemäuer sich kaum aus der Dunkelheit abhob.
    Hinter den bleiverglasten Fenstern war der unruhige, schwache
Lichtschein der Kerzen zu erkennen, die dort brannten.
    Lorette Grande wirkte in der enganliegenden, hochgeschlossenen
schwarzen Kleidung noch schmaler und zierlicher als sonst.
    Sie blieb kurz vor der massiven Holztür mit den
Eisenbeschlägen stehen und atmete tief durch.
    Es war eine wunderbare Sommernacht, sternenklarer Himmel, noch
sehr warm. Eine Nacht für das Leben – aber nicht für
den Tod!
    Die junge Frau drückte die schwere Klinke hinab.
    Halbdunkel umgab sie. Vor ihr war ein Blumenmeer, dazwischen der
offene Sarg mit dem Toten. Die großen Kerzen in den silbernen
Ständern flackerten, als der Luftzug sie traf. Gespenstisch
wirkte das Licht- und Schattenspiel an der gewölbten, mit einem
Fresko bemalten Decke und den hellen Wänden, an denen Bilder des
Kreuzweges hingen.
    Die Familie Grande war stets sehr gläubig gewesen.
    Neben dem Kopfende des Sarges stand ein gepolsterter Stuhl. Davor
stand ein älterer Mann, ein Onkel Henris, der sofort nach Arbois
gereist war, als man ihm die Todesnachricht überbrachte.
    Stumm trafen sich die Blicke des Alten und der jungen Witwe.
    Lorette nickte. »Ich nehme deine Stelle ein. Vielen Dank,
daß du bei ihm gewacht hast…«
    »Wie lange wirst du bleiben?« fragte der Mann
tonlos.
    »Die ganze Nacht.«
    »Aber – das geht über deine Kraft«, sagte er
erschreckt. »Mach keinen Unsinn, Lorette… Es sind soviele
im Haus… sie alle werden gern bei Henri bleiben
und…«
    »Ich bin seine Frau. Ich bleibe in dieser ersten Nacht an
seiner Seite. So wurde es immer bei den Grandes gehalten. So wird es
auch diesmal sein…«
    Man merkte Henris Onkel an, daß es ihm schwerfiel, die Frau
allein zu lassen. Er machte sich Sorgen um sie.
    Lorette gefiel ihm nicht. Der unerwartete Tod ihres jungen Gatten
war ein schwerer Schlag für sie.
    Die Ehe war kinderlos geblieben. Außer dem Anwesen und der
Arbeit auf dem Besitztum blieb ihr nichts. Würde das Materielle
genügend Anreiz für sie sein, darin eine Aufgabe zu
sehen?
    Jeder im weitläufigen Bekannten- und Verwandtenkreis der
Grandes wußte, daß Lorette und Henri sich liebten und
eine harmonische Ehe geführt hatten.
    Würde sie über den Verlust hinwegkommen?
    Onkel Luis blickte sorgenvoll, als er die Trauernde allein in der
halbdunklen Kapelle zurückließ.
    Auf dem bleichen Gesicht von Lorette Grande spiegelte sich das
unruhige Kerzenlicht und
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