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Macabros 055: Mysterion, der Seelenfänger

Macabros 055: Mysterion, der Seelenfänger

Titel: Macabros 055: Mysterion, der Seelenfänger
Autoren: Dan Shocker
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›hier‹ war. Er entschied sich dafür, erst mal
den Raum gänzlich zu betreten. So stemmte er sich an den Seiten
der Luke in die Höhe und zog das Knie nach. Es als Stütze
benutzend, schob er es über den Rand und wälzte sich
hinterher.
    Kaum stand er, sah er direkt in Richtung des ›Hier‹.
    Ein flimmerndes Lichtnetz breitete sich vor ihm aus. Es war
gewoben wie das fein gesponnene Netz einer Spinne. Seine Enden
verschmolzen nahtlos mit den Wänden des Raumes. Und inmitten des
Netzes erkannte er… sich!
    Schreckensbleich blieb Estrelle stehen. Das
überdimensionierte Gesicht seiner Selbst blickte ihm entgegen.
Es trug die gleichen harten Züge wie sein eigenes, Jacques
erkannte die kleine Narbe über dem rechten Lid. Er hatte sie
sich als Kleinkind zugezogen, als er sich mit einem Freund
prügelte.
    »Was… ist das?« stammelte der Meeresforscher.
    Estrelle schlug beide Hände vors Gesicht und beugte den Kopf.
Dann sah er wieder auf.
    »Das gibt es doch nicht!« stöhnte er. »Das
gibt es doch nicht!!« Dann schrie er.
    »Wie du siehst, gibt es das durchaus«, hörte
Jacques die Stimme des Kopfes. Er sah, wie die Worte aus seinem Mund
flossen und sich die Mundwinkel in der ihm eigenen Art zynisch
verzögen.
    Estrelle ging zwei schnelle Schritte auf den Kopf zu.
    »Wer bist du? Oder besser: was bist du?« rief er.
    »Fragt man sein Spiegelbild nach seinem Namen? Erkundigst du
dich bei ihm danach, warum es den Scheitel rechts trägt und
nicht links wie du? Mach’ mich nicht lachen, Mensch! Du bist
hilflos gegen mich, und ich kann dir meine Geschichte erzählen,
wann ich will. Und nicht, wann Du es willst! Du bist
hilflos!«
    Der Kopf lachte. Im Rhythmus der keckernden Laute glommen die
Fäden des leuchtenden Netzes, in dessen Mittelpunkt er sich
befand, heller und weniger hell auf. Er glich einer dämonischen
Fackel, deren eigenes Licht sie zum Flackern bringt.
    Estrelle achtete nicht auf die abwertenden Worte, die ihm das
unheimliche Geschöpf entgegenschleuderte.
    »Wie komme ich hierher?« fragte er. »Warst du es,
der meinen Irrweg kommentierte? Natürlich warst du es!«
    Stumm sah der Kopf auf Jacques Estrelle herab. In seinen Augen
loderte ein wildes Feuer. Es war von solcher Kraft, daß sich
Jacques ängstigte.
    »Wer bist du?« fragte der Franzose von neuem.
    Die Frage, wie er hierher gekommen war, verblaßte in ihm.
Der Ausdruck dieser Augen zog ihn in seinen Bann.
    »Das glaube ich, daß es dich interessiert. Jetzt –
wo du mir Angesicht zu Angesicht gegenüberstehst. Aber
jahrtausendelang haben Du und Deinesgleichen keinen Gedanken an mich
verschwendet; für sie habe ich gar nicht existiert. Nun, da es
einem von ihnen an den Kragen geht, erwacht ihre Neugier!«
    Estrelle spürte, wie ihm ein Schauer über den
Rücken rann. Seine Nackenhaare sträubten sich.
    »Du sprichst«, sagte er, »als wäre die
Menschheit schuld an einem Unglück, das dir widerfuhr. Aber das
kann nicht sein – man weiß nichts von dir!«
    »Und doch ist es so!« entgegnete der Kopf. »Das
sage ich. Ich, Mysterion! «
     
    *
     
    Jacques Estrelle war von dem Geschöpf, das er vor sich sah,
gleichermaßen fasziniert wie schockiert. Es stellte für
ihn etwas noch nie Dagewesenes dar. Aber er spürte die Aura des
Bösen, das es umgab wie ein unsichtbarer Schirm.
    »Es war vor langer Zeit, daß ihr Menschen es bereits
vergessen habt und nicht mal die Geschichtsbücher mehr
darüber berichten. Damals existierte an diesem Ort ein
Kontinent. Er war nicht so groß wie die Kontinente, die ihr
Menschen heute bevölkert, aber von solchen Ausmaßen,
daß mit Leichtigkeit ein ganzes Volk darauf leben und eine
Kultur entwickeln konnte. Es war die Kultur der Atlanter.
    Atlantis – so nannte sich auch der Kontinent – war reich
an irdischen Gütern. Es verfügte über alles, was des
Menschen Herz begehrte und konnte soauf jeden Krieg verzichten. Es
isolierte sich völlig von der übrigen Welt. Nicht zuletzt
deshalb, weil es in ihr keine Menschen gab, die es an Intelligenz mit
den Atlantern aufnehmen konnten.
    Seine Bewohner gaben sich den schönen Künsten hin. Sie
drangen in das Wirken der Dinge ein und lebten nur für das
Wissen, das sie sich schufen. In jahrhundertelanger Entwicklung
wurden die Atlanter zu einem Volk der Weisen.
    Dann kamen die Fremden. In ihren riesigen Schiffen landeten sie
auf dem reichen Kontinent.
    Sie sollten die Atlanter warnen, denn finstere Mächte aus den
Tiefen des Alls bereiteten sich darauf vor, die
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