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Macabros 044: Mirakel - Herr im Geisterland

Macabros 044: Mirakel - Herr im Geisterland

Titel: Macabros 044: Mirakel - Herr im Geisterland
Autoren: Dan Shocker
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drückten ihm die Kehle zu, und auch dagegen konnte er
nichts tun.
    Das Bett war plötzlich kein Bett mehr – ein riesiger
Schacht tat sich unter ihm auf, und zwischen den Gesichtern seiner
Mörder tauchten all jene Gesichter der Menschen auf, die schon
zu Lebzeiten des Earl hier im Raum den Tod fanden. Auch die
Angstzustände derer, die damals starben, nahmen bildhafte
Gestalt an, und John Hiller wurde Zeuge der Szenen, die seinen
Verstand an den Rand des Wahnsinns trieben.
    Die Sinne schwanden ihm. Er begriff, daß er sich in
tödlicher Gefahr befand – und er riß sich noch mal
zusammen, so daß ein einziger, gewaltiger, entsetzter Schrei
über seine Lippen kam und durch die Ruine des Gästehauses
hallte.
     
    *
     
    Der Schrei war wie eine Erlösung, eine letzte Hoffnung.
    Wenn es jemand gab, der ihn hörte!
    Aber hier in der Bergeinsamkeit gab es keinen Menschen, der ihm zu
Hilfe eilen konnte. Er hatte das verfluchte Zimmer betreten und war
den bösen Gedanken unsichtbarer, mordgieriger Wesen zum Opfer
gefallen.
    Von dem Bett gingen unheilvolle Einflüsse aus.
    Jeder, der hier geschlafen hatte, war am nächsten Morgen
nicht mehr aufgewacht.
    John Hiller hörte seinen Schrei verebben – und dann
fühlte er die rasche Abwärtsbewegung, als ob er in die
Tiefe stürze.
    Hier konnte ihm niemand mehr helfen, niemand wußte,
daß er sich hier oben aufhielt.
    Einer aber hörte den Schrei.
    Ein Mensch glitt durch die Luft, tauchte, umhüllt von einem
roten, trikotähnlichen Gewand und umgeben von einer strahlenden
Aura über der Ruine des Gästehauses auf.
    Mirakel, der Mensch, Mirakel – der Dyktenmann!
    Wie ein Pfeil stieß er durch die Luft und drehte sich um
seine eigene Achse. Er wirbelte wie ein Blatt durch die Lüfte,
leicht und schwerelos, weil er den Gesetzmäßigkeiten
dieser Welt nicht mehr unterstand.
    Er hielt die Beine leicht angewinkelt, kam kraftvoll aus der
Höhe und stieß durch das offene Dach der Ruine.
    Ohne auch nur eine Sekunde lang zu zögern, eilte er um die
kahlen Mauern und erreichte die dunkle Kammer, aus der er den
entsetzten Aufschrei vernommen hatte.
    Im nämlichen Augenblick sah er die Kammer so, wie sie einst
war. Seidenschimmernde Wände, Teppiche, Leuchter, Bett…
    Von einer Sekunde zur andern meinte er die Grenzen zwischen den
Zeiten – zwischen der Gegenwart und der Vergangenheit –
gesprengt zu haben.
    War er in einer anderen Zeit angekommen?
    Oder war das Ganze nicht mehr als eine teuflische Vision?
    Er blickte sich schnell um.
    Hinter ihm war das Gästehaus eine ungastliche Ruine. Vor ihm
aber befand sich ein Zimmer, das mit kostbaren Seidenstoffen,
Teppichen und Möbeln eingerichtet war.
    Ein Zimmer ohne Fenster, ein Zimmer noch mit Decke versehen.
    Aber das war noch nicht alles.
    Auf dem Bett lag jemand. Ein Fremder. Ein Mann. Er hatte die Augen
zur Decke gerichtet, und sein Mund war weit aufgerissen, wie zum
Schrei.
    Dann sah Mirakel noch etwas, was ihm das Blut in den Adern
gefrieren ließ.
    Der Tote versank langsam in der Matratze, als handele es sich
nicht um eine feste Unterlage, sondern um einen brackigen Sumpf, der
sein Opfer langsam, aber unbarmherzig in die Tiefe zog.
    Mit einem blitzschnellen Schritt war Mirakel im Zimmer.
    Er warf sich förmlich auf das Bett, um zu sehen, ob der Mann
dort wirklich tot und verloren war – oder ob er noch etwas
für ihn tun konnte.
    Dieser eine Schritt nach vorn aber bewirkte, daß auch er in
den Bannkreis des Bösen geriet.
    Der Bezirk unmittelbar um das Bett war verflucht, wie der Earl das
einst wollte.
    Molochos und Rha-Ta-N’my, Shab-Sodd der Dämonenzeuger
und Utosh-Melosh-Orsh, der dreiköpfige Lügengott, deren
Namen der Earl of Manon kannte und der die beschwörenden
Gesänge zu ihnen in die Tiefe angestimmt hatte, waren einst
persönlich hier gewesen und hatten den Boden mit ihren
Füßen entweiht.
    Mirakel konnte sich dem Sog, der ihn förmlich packte, nicht
entziehen.
    Es war nicht mehr sein eigener Schwung, der ihn auf das Bett warf
– es waren fremde Hände, die ihn von hinten anstießen
und den Schwung verstärkten.
    Er griff nach der Gestalt auf dem Bett, um sie vollends vor dem
Versinken zu bewahren.
    Aber seine Reaktion erfolgte trotz enormer Geschwindigkeit eine
Zehntelsekunde zu spät.
    John Hillers Körper versank in der Matratze und verschwand,
ehe Mirakel ihn berührte.
    Da war er auch schon im Bann des dämonischen Kreises und der
teuflischen Einflüsse.
    Er konnte nur noch den Kopf wenden, war aber nicht
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