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Macabros 039: Im Verlies der Hexendrachen

Macabros 039: Im Verlies der Hexendrachen

Titel: Macabros 039: Im Verlies der Hexendrachen
Autoren: Dan Shocker
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abergläubisch. Aber das, was hier einst
geschah, hat wenig mit Aberglauben zu tun. Es ist eine Tatsache. Das
wissen alle im Dorf. Aber kein Mensch spricht darüber. Ich bin
ein Einheimischer – und deshalb spreche auch ich nicht
darüber. Ich möchte Sie nicht unnötig in Gefahr
bringen.«
    »Wieso bringen Sie mich in Gefahr, wenn Sie darüber
reden?«
    »Weil ich Ihre Neugierde nur anstachle. Das möchte ich
nicht.«
    »Sie haben es aber bereits getan.«
    »Dann kann ich Ihnen nur eines empfehlen: Reisen Sie so
schnell wie möglich ab, Monsieur.«
    Frandon schüttelte den Kopf. »Ich bin hierhergekommen,
um das Schloß zu sehen, Monsieur. Seit Tagen streiche ich um es
herum wie eine Katze um den heißen Brei. Ich habe es aus der
Ferne von allen Seiten begutachtet. Hier von diesem Fenster aus aber
hat man den schönsten Blick.«
    »Das will ich meinen«, erwiderte der Wirt dumpf.
»Anfang des 14. Jahrhunderts stand hier oben ein kleines Haus,
auf dessen Grundmauern später diese Gastwirtschaft errichtet
wurde. Es heißt, daß der Comte oft auf dieser Seite des
Berges gesessen und sein Schloß betrachtet haben soll. So wie
Sie es seit drei Tagen tun, Monsieur.«
    Frandon hatte ein Fernglas dabei. Ungeniert setzte er es an die
Augen und blickte hinüber zu dem massigen, düsteren Bau.
Von einigen Wänden wußte man nicht, ob sie Fels oder
gemauerter Stein waren.
    »Dieser Fleck dort drüben ist wüst und leer. Selbst
die Vögel meiden das Gemäuer und das verwilderte Buschwerk,
das einen Teil der Ruine fast völlig überwachsen hat«,
fuhr der Wirt leise fort. »Der einzige Weg, der existiert, ist
so schwerlich zu begehen, daß die Fremden, die sich hin und
wieder hierher verlaufen, davon Abstand nehmen, das Schloß
näher in Augenschein zu nehmen. Und das ist gut so. Manch einer
würde dem Grauen begegnen, denn dort drüben ist nichts, was
reizt, es sich anzusehen.«
    Harry Frandon lächelte versonnen. »Dann sind Sie,
Monsieur, offenbar doch nicht auf dem laufenden. Was dort drüben
zu sehen ist, kann man ohne Übertreibung als äußerst
reizvoll bezeichnen.«
    »Ich verstehe Sie nicht, Monsieur?«
    »Da drüben hat jemand beschlossen, ein Sonnenbad zu
nehmen. Sie ist dunkelhaarig und außergewöhnlich
hübsch. Ich schätze sie auf höchstens zwanzig. Einen
Bikini trägt sie nicht. Auch keinen Badeanzug, Monsieur. Sie ist
schön und nackt, wie Gott sie geschaffen hat. Sie ist sich
offenbar sehr sicher, daß man sie dort droben auf dem Berg
zwischen all dem Gestrüpp nicht wahrnehmen kann. Sie
vergißt dabei ganz, daß man hier von diesem Fenster aus
mit einem Fernglas einen ganz hervorragenden Blick auf die Kap-Spitze
genießt.«
    »Sie irren, Monsieur. Da drüben kann niemand
sein!«
    »Ist aber. Sie hat einen Leberfleck auf der linken Schulter.
Es lohnt sich doch immer wieder, wenn man bei der Anschaffung
technischen Geräts nicht spart«, konnte der jugendlich
wirkende Besucher sich die humorvolle Bemerkung nicht versagen.
    Das junge Mädchen dort drüben benahm sich völlig
ungeniert, legte sich ins Gras, lächelte glücklich und
zufrieden und genoß die wärmenden und bräunenden
Strahlen der Sonne.
    Frandon trat einen Schritt zur Seite und reichte das Fernglas an
den Wirt weiter. »Es ist nicht die feine englische Art, jemand
so genau zu beobachten, der nichts davon ahnt. Wir wollen sie auch
nicht weiter beobachten. Überzeugen Sie sich zumindest,
daß ich recht habe!«
    Der Wirt rührte das Fernglas nicht an. »Ich werde mich
hüten«, sagte er, und Frandon hatte selten einen Menschen
so blaß gesehen. »Ich will sie nicht sehen – und auch
für Sie, Monsieur, wäre es besser gewesen, sie nicht
gesehen zu haben. Reisen Sie umgehend ab! Vorausgesetzt, daß
Sie es jetzt noch können.«
    »Ich kann, wenn ich will. Aber ich will nicht! Ich
interessiere mich für diesen alten, verrotteten Kasten da oben.
Geisterburgen und Spukschlösser haben es mir schon als Junge
angetan. In einem alten Buch habe ich sämtliche Schlösser
und Burgen verzeichnet gefunden. In England und Schottland gibt es
sehr viele Spukschlösser. Die Lords und Earls hatten alle ihre
eigenen Hausgeister. Sie mögen sich fragen, warum ich dann
hierher in diese triste Gegend komme, wo Fuchs und Hase sich gute
Nacht sagen. Um mir diesen baufälligen Kasten anzusehen, wo es
doch in dem Land, aus dem ich komme, zahlreiche alte Burgen und
Schlösser gibt. Mit dem Schloß des Comte scheint das etwas
ganz anderes zu sein als mit den Schlössern in
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