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Macabros 035: Mirakel, Mann der Geheimnisse

Macabros 035: Mirakel, Mann der Geheimnisse

Titel: Macabros 035: Mirakel, Mann der Geheimnisse
Autoren: Dan Shocker
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und er warf einen ernsten Blick in die
Spalten. Dort unten gähnte eine erschreckende, rötlich
glimmende Tiefe, und stoßweise drang grauer, dunkelvioletter
Rauch daraus und stieg ätzend in seine Augen.
    Es schien, als ob dort unten ein urwelthaftes Ungetüm liege
und schlafe und als müsse man die Abgründe meiden, um ja
kein Geräusch in deren Nähe zu verursachen, ein
Geräusch, das den schlafenden Titan wecken könne. Tobend
würde er dann die düstere Tiefe durchbrechen, die
schwarz-braunen Platten wie welkes Laub auseinanderschieben und ihn
verschlingen.
    Er hatte keine Furcht.
    Es waren andere Gefühle, die ihn erfüllten.
    Neugierde und Wissensdurst hatten von ihm Besitz ergriffen, und
vor allem eine Frage ließ ihm keine Ruhe mehr: Wieso glaubte er
immer wieder, ein gewisser Frank Morell zu sein? Wieso fiel er immer
wieder in diesen öden Traum, in dem er meinte, Pläne zu
zeichnen, die wiederum dazu gebraucht wurden, um neue Maschinen zu
bauen.
    Er gehörte hierher, er hatte nur geträumt. Aber Tala-Mar
war nicht mehr so, wie er gehofft hatte, es vorzufinden.
    Er war lange unterwegs gewesen. Warum er so lange der Stadt den
Rücken kehrte, wußte er allerdings nicht mehr.
    Unruhe erfüllte ihn. Er wußte, daß irgend etwas
mit ihm nicht stimmte, aber er hätte nicht zu sagen vermocht,
was es war.
    In seiner Erinnerung stellte sich Tala-Mar, die
›glückliche Stadt‹ ganz anders dar, und doch
wußte er gleichzeitig, daß ihr Schicksal bestimmt war,
daß sie den Gesetzen des Werdens und Vergehens unterworfen war
wie alles in diesem Universum. Aber daß die Katastrophe so
schnell hatte eintreten können, irritierte ihn.
    Er hatte den Ruf vernommen: ›Tala-Mar ist in Gefahr! Kehre
dorthin zurück, wenn du die Freunde, die Eltern und Geschwister
nochmal sehen willst!‹
    Und er war gekommen, ohne zu wissen, woher er kam.
    Plötzlich stand er hier – in diesem ausgetrockneten
Flußbett.
    Er streckte die Arme aus und löste sich im gleichen
Augenblick vom Boden, als ob eine unsichtbare Kraft ihn empor und
schnell durch die kühle, rötliche Luft ziehe.
    Rasch fiel die ausgetrocknete, rissige Erde unter ihm
zurück.
    Er fand nichts dabei, zu fliegen. Es war ganz
selbstverständlich.
    Er glitt über die hohen, ausgedörrten Bäume hinweg,
deren blatt- und fruchtlosen Zweige einen grauen,
schimmelähnlichen Belag aufwiesen.
    Es war der Odem der Hölle, der aus der Tiefe der Erde wehte
und alles absterben ließ.
    Lebte überhaupt noch jemand in Tala-Mar oder waren alle, die
er kannte und liebte, schon vergangen?
    Sein Herz verkrampfte sich, als er an diese Möglichkeit
dachte, und sein Körper streckte sich und durcheilte die
Lüfte dieser seltsamen Welt, die ihm so vertraut und
gleichzeitig so fremd vorkam. Er beeilte sich.
    Der Himmel spannte sich schwarz-rot wie die Schwingen eines
gigantischen Vogels über ihm. Der Fliegende hob sich vom
Hintergrund dieses Himmels kaum ab und schien mit ihm verschmolzen zu
sein.
    Die prächtige Stadt lag unter ihm. Schlanke, helle
Säulen stachen wie verdichtete und gebündelte Lichtstrahlen
in den glimmenden Himmel. Die Sonne, die über der Stadt lag, war
groß und nahm fast den gesamten Himmel ein. Es schien, als
wolle die glosende Titanenscheibe die ganze Welt über kurz oder
lang erdrücken.
    Glutrote Schatten spielten auf den massigen Säulen und den
flachen Kuppeldächern. Die Stadt bestand aus einer Vielzahl
sanfter Kuppeln, die wie Blattwerk zwischen den Strahlenbauten
hingen, die wie Trauben aneinander klebten und sich
terrassenförmig immer mehr in den Himmel schraubten.
    In rotem Nebel verschwindend, zeigten sich die Schemen eines
rechteckigen Gigantengebäudes, das aus Türmen, Säulen
und Kuppeln bestand, die vergoldete Dächer hatten. Hohe
schimmernde Mauern umschlossen die ausgetrockneten Gärten, in
denen sich kein Dykte mehr bewegte. Der Tempel der Weisheit, der auf
sieben aufeinanderfolgenden Terrassen erbaut war und die sieben
Stufen der Entwicklung und der Glückseligkeit symbolisierte, war
eine Stadt für sich und gliederte sich wie ein Auswuchs Tala-Mar
an.
    Schwerelos glitt Mirakel zwischen den Strahlensäulen entlang
und näherte sich den großen ovalen Fenstern, in denen sich
der blutrotgefärbte Himmel spiegelte.
    Die Straßen waren leer. Niemand befand sich auf den
Plätzen, niemand in den Gärten.
    Auch die Häuser waren leer!
    Wie eine kalte Hand krampfte sich die Angst in sein Herz.
    Was war aus dem Volk geworden, dem er angehörte?
    Wohin waren
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